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Innovativ Thüringen

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Foresight Report - Zyklus I Autoren: Innovativ Thüringen & Instituts für Innovation und Technik (iit) in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH

Veröffentlicht: November 2025

1. Warum Foresight?

Thüringen steht vor der Herausforderung, seine Innovationskraft in einem von technologischen, gesellschaftlichen und geopolitischen Umbrüchen geprägten Umfeld zukunftsfähig zu gestalten und die zur Verfügung stehenden Mittel und Potenziale so effektiv wie möglich zu nutzen. Die Frage, wie Zukunft aktiv gestaltet werden kann, ist für Verantwortungsträger in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft von zentraler Bedeutung, da eine Prioritätensetzung erfolgen muss. In einer Zeit tiefgreifender technologischer und gesellschaftlicher Transformationen dient strategische Vorausschau der Generierung von Orientierungswissen über mögliche künftige Entwicklungen. Innovativ Thüringen hat im Jahr 2024 einen Foresight-Prozess gestartet, der systematisch, datenbasiert und partizipativ zentrale Zukunftsthemen für die thüringische Innovationspolitik identifiziert und Folgewirkungen antizipiert. Dieser Prozess soll jährlich wiederholt werden. Foresight (Strategische Vorausschau) bezeichnet einen systematischen, wissensbasierten Prozess zur Antizipation möglicher Zukunftsentwicklungen, um frühzeitig Orientierungswissen für strategische Entscheidungen zu generieren und gestaltbare Handlungsoptionen aufzuzeigen. Ziel des Prozesses in Thüringen ist, relevante Trends zu identifizieren, um langfristige Weichenstellungen auf einer belastbaren Wissensgrundlage vorzunehmen und zukünftige Entwicklungspfade für die thüringische Innovationslandschaft zu öffnen.

Im Rahmen der Regionale Innovationsstrategie für intelligente Spezialisierung und wirtschaftlichen Wandel in Thüringen (RIS Thüringen) bildet Foresight ein zentrales Element der Governance und Weiterentwicklung. Die strategische Vorausschau ermöglicht es, technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunftstrends systematisch zu identifizieren und in strukturierte Innovationspfade zu überführen. Durch den Einsatz von Foresight-Instrumenten werden frühzeitig Handlungsfelder sichtbar gemacht, in denen Thüringen vorhandene Stärken mit aufkommenden Chancen koppeln kann. Damit trägt Foresight innerhalb der RIS dazu bei, Innovationspotenziale nicht nur reaktiv zu adressieren, sondern proaktiv zu erschließen und resiliente Strategien für Forschung, Entwicklung und Wertschöpfung zu gestalten.

Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über den Foresight-Prozess und die Ergebnisse des ersten Foresight-Zyklus, der von Juni 2024 bis Juni 2025 von Innovativ Thüringen als Schulterblick mit dem Institut für Innovation und Technik (iit) in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH durchgeführt wurde und nunmehr kontinuierlich fortgeführt wird.

2. Foresight-Prozess in Thüringen

Zentrales Element der Foresight-Aktivitäten sind fortlaufende Trendanalysen und -monitoring, die vom Foresight-Team von Innovativ Thüringen in der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbh (LEG Thüringen) durchgeführt werden. Im wiederkehrenden Foresight-Prozess werden quantitative Analysen mit qualitativen Bewertungen kombiniert und dazu gezielt Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung einbezogen. Kern des Prozesses ist die Identifikation von Trends, die nicht nur technologisch relevant sind, sondern auch strategische Gestaltungsräume für Thüringen eröffnen. Der Foresight-Zyklus sieht vor, dass Zukünfte antizipiert, Geschäftsmodellmuster abgeleitet, Transferpotenziale identifiziert und Projektvorschläge gemeinsam mit relevanten Stakeholdern entwickelt werden.

Hierbei bringt Thüringen exzellente Voraussetzungen mit, um zukünftige Entwicklungen aktiv zu gestalten. Die Innovationslandschaft ist geprägt durch kurze Wege, ein leistungsfähiges Cluster-Ökosystem und einen hohen Grad der Spezialisierung der Unternehmen sowie eine starke Forschungsinfrastruktur. Ebenso hat Thüringen bereits heute eine Reihe relevanter Netzwerke und Innovationsformate, mit denen Wertschöpfung gestärkt wird. Bestehende Kompetenzen in Bereichen wie Sensorik, Bildverarbeitung, Energie und Medizintechnik ermöglichen es, spezifische Nischen systematisch zu besetzen und neue Wertschöpfungspfade zu erschließen.

Der Foresight-Prozess für Thüringen wurde in enger Zusammenarbeit mit den Foresight-Experten des Instituts für Innovation und Technik (iit) in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH erarbeitet. In einem mehrstufigen Verfahren werden für Thüringen relevante Trends identifiziert, Pfade möglicher zukünftiger Entwicklungen antizipiert und Handlungsräume für die thüringische Innovationslandschaft erkannt. Dabei wird besonderer Wert auf eine datenbasierte und wissenschaftlich valide Herangehensweise gelegt. Der Prozess folgt einem mehrstufigen Vorgehen (siehe Abbildung).

Im Scoping werden Suchraum und Suchstrategie festgelegt, also die Systematik, mit der nach relevanten Technologietrends für den Innovationsstandort Thüringen gesucht wird. Im Scanning werden anschließend entsprechend der festgelegten Suchstrategie Trenddaten analysiert und in einer Kombination aus Datenanalyse und Expertenbewertung zu Trends mit einer besonders hohen Relevanz für Thüringen verdichtet. Die identifizierten Trends werden anschließend in der Antizipation mithilfe qualitativer Foresight-Methoden vertieft analysiert, um zu untersuchen, wie sich diese Trends in den kommenden Jahren entwickeln und welche Potenziale sie für den Standort Thüringen haben könnten. Die Ergebnisse des jeweiligen Zyklus werden im Transfer mithilfe von Reports, Impulsvorträgen und Workshops kommuniziert und in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Thüringens transferiert. Dieser Ablauf wird einmal pro Jahr durchlaufen (Foresight-Zyklus). Vor Eintritt in den nächsten Foresight-Zyklus erfolgt jeweils eine Evaluation des Vorgehens und eine Anpassung des Untersuchungsdesigns.

3. Vorgehen und Methoden

3.1 Scoping

Zu Beginn der Scoping-Phase im ersten Zyklus 2024 wurde der Suchraum festgelegt, in dem nach Trendthemen gesucht werden soll. Dieser wurde zunächst thematisch eingegrenzt. Die Grundlage für die thematische Eingrenzung bilden die in der RIS Thüringen bereits etablierten fünf Spezialisierungsfelder. Hierzu gehören: Industrielle Produktion und Systeme, Nachhaltige und intelligente Mobilität und Logistik, Gesundes Leben und Gesundheitswirtschaft, Nachhaltige Energie und Ressourcenverwendung, IKT, innovative und produktionsnahe Dienstleistungen. In enger Zusammenarbeit zwischen den Foresight-Experten des iit sowie dem Foresight-Team und den Spezialisierungsfeldmanagern von Innovativ Thüringen wurden die zu erhebenden Datenquellen und die zur Analyse der Daten erforderlichen Suchstrategien je Spezialisierungsfeld festgelegt.

Die Datenauswahl erfolgte entsprechend dem zugrunde liegenden Erkenntnisinteresse. Innovativ Thüringen verfolgt im Zusammenhang mit der RIS Thüringen eine dreifache Zielstellung: (1) Stärkung des Transfers neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse von der Forschung in marktfähige Produkte und Dienstleistungen, (2) Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Thüringen z. B. durch branchen- und technologiefeldübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke sowie (3) höhere Sichtbarkeit des Wirtschafts- und Innovationsstandortes und Stärkung überregionaler Vernetzung.

Damit ergeben sich folgende Anforderungen an die Auswahl der Datenbasis:

  • Neueste wissenschaftliche Forschungserkenntnisse möglichst frühzeitig erkennen.
  • Schnittstellenthemen verschiedener Branchen identifizieren (Daten zu vorwettbewerblichen und bereits in Anwendung bewegenden Trends einzubeziehen)
  • Treibende Akteure hinter Trends identifizieren für (i) Abgrenzungspotenziale (Wo befinden sich thüringische Akteure im Wettbewerb?) und (ii) Kooperations- und Vernetzungspotenziale (Wo können Akteure aus Thüringen mit überregionalen Akteuren in einem bestimmten Feld kooperieren?)

Für die Analyse wurden im ersten Zyklus wissenschaftliche Konferenzbeiträge der Scopus®-Literaturdatenbank, geförderte Projekte auf europäischer Ebene in der CORDIS-Datenbank und RSS-Feeds von Nachrichtenblogs herangezogen (siehe Abbildung). Insgesamt wurden dabei 151.433 Konferenzbeiträge, 5.909 geförderte Teilvorhaben europäischer Forschungskonsortien sowie 97.882 Newsbeiträge ausgewertet.

3.2 Scanning

Im Rahmen der Scanning-Phase wurden relevante Datenquellen systematisch durchsucht, inhaltlich aufbereitet und thematisch verdichtet, um erste Entwicklungslinien und Schwerpunkte zu identifizieren. Die daraus hervorgehenden Themencluster wurden schrittweise konsolidiert, qualitativ analysiert und entlang definierter Relevanzkriterien von Experten bewertet. Auf Basis dieser Bewertung wurden zentrale Schlüsseltrends abgeleitet, die im anschließenden Trendworkshop vertiefend diskutiert und im Hinblick auf ihre strategische Bedeutung für Thüringen eingeordnet wurden.

Quantitative Datenanalyse

  • Mithilfe der erarbeiteten Searchstrings wurden die oben beschriebenen Datenquellen durchsucht und entsprechende Datensätze (Samples) für die jeweiligen Spezialisierungsfelder generiert. Diese Samples potenziell relevanter Datensätze wurden mit Text-Mining-Prozeduren aufbereitet, um eine weitere Auswertung zu ermöglichen. Zur Analyse dieser Beziehungen kam eine Word-Embedding-Methode (Word2Vec) aus dem Bereich des Natural Language Processing (NLP) zum Einsatz. Die daraus resultierenden Wortvektoren bilden einen hochdimensionalen semantischen Raum, in dem kontextuell verwandte Begriffe nahe beieinanderliegen. Dies ermöglicht eine aggregierte Betrachtung der enthaltenen Themenkomplexe.
  • Zur Exploration des entstehenden Vektorraums wurde ein k-Means-Clustering-Verfahren eingesetzt. K-Means-Clustering ist ein Verfahren der unüberwachten Mustererkennung, bei dem Datenelemente anhand ihrer Ähnlichkeit in Cluster (k) gruppiert werden. Ziel ist es, innerhalb der Cluster eine möglichst hohe Ähnlichkeit und zwischen den Clustern eine möglichst große Unterschiedlichkeit zu erreichen. Auf diese Weise konnten semantisch ähnliche Begriffe zu Clustern gruppiert und in Form von Themenkarten visualisiert werden. Diese erlauben eine aggregierte Darstellung übergeordneter Themenfelder.
  • Abschließend wurden die thematischen Cluster durch die Principal Component Analysis (PCA) für eine räumliche Darstellung transformiert. Die PCA ist ein Verfahren zur Dimensionsreduktion, das hochdimensionale Daten durch lineare Transformation auf wenige Hauptkomponenten abbildet. Dies ermöglichte eine zwei- bzw. dreidimensionale Abbildung des semantischen Raums sowie eine räumliche Darstellung der Cluster, wodurch inhaltliche Überschneidungen zwischen den Clustern sowie thematische Beziehungen sichtbar gemacht wurden.

Qualitative Ausarbeitung

  • Die auf diesem Weg erarbeiteten Themencluster wurden anschließend qualitativ vertiefend analysiert, indem die zugehörigen Datensätze inhaltlich von den Experten des iit ausgewertet wurden. Mithilfe einer generativen KI wurden die Cluster benannt, sodass die in den Clustern enthaltenen Trends zusammenfassende Titel erhielten. Im nächsten Schritt ermöglichte das expertenbasierte Sense-Making sowie die Konsolidierung der unterschiedlichen Quellenergebnisse, die gefundenen Cluster inhaltlich zu interpretieren, ihre Bedeutung einzuordnen und eine konkrete Themenliste mit relevanten Trends und Entwicklungen abzuleiten. Im Ergebnis wurden aus den Clustern abgrenzbare und beschreibbare Themen mit Zukunftsbezug entwickelt. Die so entstandene Themenliste wurde als Themen-Longlist mit 45 Einzelthemen aus den fünf Spezialisierungsfeldern in den weiteren Prozess genommen. Sie bildete ein breites Spektrum an potenziell relevanten Fragestellungen ab.
  • Im nächsten Schritt erfolgte eine online durchgeführte Expertenbefragung. In dieser Online-Befragung wurden die 45 Einzelthemen von Mitgliedern der Strategiebeiräte der RIS Thüringen sowie weitere Fachexperten aus Thüringen qualitativ nach den folgenden Relevanzkriterien bewertet: (i) Neuigkeitswert, (ii) Disruptionspotenzial, (iii) Chancenpotenzial für Thüringen, (iv) Risikopotenzial für Thüringen, (v) Handlungsrelevanz. Trends, die überdurchschnittliche Bewertungen in einem oder mehreren Kriterien erhalten hatten, wurden für die weiterführenden Analysen ausgewählt. Dabei wurde berücksichtigt, dass aus jedem Spezialisierungsfeld Trends ausgewählt wurden. Im Ergebnis bildeten die 20 relevantesten Trends die Themen-Shortlist, die als Grundlage für den Trendworkshop diente, in dem vertiefende thematische Einordnungen vorgenommen wurden. Für diese 20 Trends wurden Trend-Steckbriefe erarbeitet.
  • Der ganztägige Trendworkshop fand im November 2024 in Präsenz in Erfurt statt. Darin wurden die im Rahmen des Foresight-Prozesses identifizierten 20 Trends gemeinsam mit zentralen Akteuren priorisiert und vertiefend diskutiert. Teilgenommen haben Mitglieder des Foresight-Kernteams, Spezialisierungsfeldmanager von Innovativ Thüringen sowie externe Experten der jeweiligen Themenfelder. Nach einer Einführung in Methodik und Zielsetzung sowie einer interaktiven Vorstellungsrunde erfolgte die Priorisierung der Trends in zwei Kleingruppen entlang der nachfolgend beschriebenen Priorisierungsmatrix (siehe Abbildung). Aus den 20 Trends wurden im Trendworkshop schlussendlich fünf Themen für die weitere Foresight-Bearbeitung ausgewählt.

Details zum Trendworkshop

Die Bewertung der identifizierten Trends erfolgte entlang zweier Dimensionen: Zum einen wurde eingeschätzt, welchen Einfluss ein Trend auf Innovation und Wertschöpfung in Thüringen entfalten kann. Zum anderen wurde diskutiert, wie hoch die Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung des jeweiligen Trends einzuschätzen ist.

Wichtig ist der methodische Hinweis, dass alle im Trendworkshop zur Diskussion stehenden Trends bereits im Vorfeld als potenziell relevant für Thüringen identifiziert worden waren. Eine vergleichsweise niedrigere Bewertung innerhalb des Workshops impliziert daher nicht zwangsläufig eine generelle Irrelevanz, sondern aus Sicht der beteiligten Experten eine geringere Bedeutung im direkten Vergleich zu anderen Trends.

Der Kategorie Prio-Themen ordneten die Experten zehn Trends zu. Im nächsten Schritt wurden diese Prio-Themen anhand der Methode Future Canvas entlang der folgenden Kategorien in einer fachlichen Diskussion weiterqualifiziert:

  • Chancen: Welche positiven Möglichkeiten eröffnet dieser Trend Thüringen? Welche Innovationspotenziale? Welche Wettbewerbsvorteile?
  • Risiken: Welche potenziell negativen Auswirkungen/Unsicherheiten sind mit dem Trend verbunden? Welche Gefahren könnten für bestimmte Branchen etc. entstehen?
  • Betroffene Stakeholder: Welche Akteure sind direkt oder indirekt von diesem Trend betroffen? Welche Interessen, Bedürfnisse, Ängste etc. müssen berücksichtigt werden?
  • Handlungsansätze: Wie können Akteure in Thüringen durch ihr Handeln Einfluss darauf nehmen, ob eventuelle Chancen genutzt und Risiken vermieden werden? Welche strategischen Initiativen sind notwendig, um auf den Trend angemessen zu reagieren?

Die auf diese Weise entstandenen zehn Future Canvas wurden an Metaplanwänden dokumentiert und im Plenum präsentiert. Abschließend wurden durch Bepunktung fünf der Prio-Themen ausgewählt, die im Rahmen der Antizipation-Workshops in der nächsten Phase des Foresight-Zyklus weiter analysiert wurden.

3.3 Antizipation

Die fünf im Trendworkshop identifizierten Fokustrends wurden zur vertieften Analyse und Diskussion im Rahmen der Antizipationsphase in zwei halbtägigen Workshops ausgearbeitet. Ziel war es, potenzielle mittel- bis langfristige Auswirkungen relevanter Veränderungen zu strukturieren und daraus erste Implikationen für den Innovations- und Wertschöpfungsstandort Thüringen abzuleiten. Eingeladen waren einschlägige Expertinnen und Experten des Thüringer Innovationssystems sowie die Spezialisierungsfeldmanager von Innovativ Thüringen, um ein breites fachliches Spektrum und praxisnahes Wissen sicherzustellen.

Der erste Antizipations-Workshop im Januar 2025 widmete sich der Analyse von Zukunftstrends im Bereich Gesundheitstechnologien und Gesundheitswirtschaft. Die Arbeit erfolgte in zwei Gruppen: (1) KI-gestützte, robotische und immersive Technologien für personalisierte Gesundheit mit dem Potenzial, durch kollaborative Robotik und immersive Anwendungen eine individualisierte und wirksame medizinische Versorgung zu ermöglichen, sowie (2) eHealth: KI zur Vorhersage, Diagnose, Behandlung & Prävention von Krankheiten mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung durch vorausschauende Analyse, präzise Diagnostik und maßgeschneiderte Präventionsstrategien zu transformieren.

Der zweite Antizipations-Workshop im Februar 2025 und konzentrierte sich auf Schlüsseltechnologien der industriellen Wertschöpfung. In drei Gruppen wurden bearbeitet: (1) Kontext-sensitive Sensorik für adaptive Systeme in Produktion, Verkehr, Robotik und Energieversorgung, (2) Intelligente Bildverarbeitung für adaptive Systeme als Grundlage für autonome, reaktive und lernfähige Systeme sowie (3) Quantenbasierte & neuromorphe Technologien für Computing und Sensorik mit disruptivem Potenzial für vielfältige Anwendungsfelder.

Für die Workshops wurden gezielt zwei komplementäre Foresight-Methoden ausgewählt: (1) Futures Wheel und (2) die Visual Roadmap. Die Kombination beider Ansätze verbindet exploratives Denken unter Unsicherheit mit einer strukturierten Ableitung konkreter Entwicklungspfade.

Futures Wheel

Das Futures Wheel ist ein etabliertes, von Glenn und Gordon entwickeltes Instrument der Zukunftsanalyse, das besonders für komplexe und unsichere Themenfelder geeignet ist. Es ermöglicht, die direkten, indirekten und weiter entfernten Auswirkungen eines Trends oder Ereignisses systematisch zu erfassen, ohne sich von linearen Denkmustern einschränken zu lassen. Um die Ideengenerierung zu unterstützen und das Denken abseits linearer Denkmuster anzustoßen, werden Annahmen ins Zentrum des Futures Wheels gestellt. In mehreren Runden werden denkbare Konsequenzen der Annahme antizipiert. Zunächst werden unmittelbare Folgen (1. Ordnung) identifiziert, daraus Folgewirkungen (2. Ordnung) abgeleitet und schließlich systemische Reaktionen (3. Ordnung) betrachtet. Diese Vorgehensweise eröffnet einen breiten Blick auf alternative Wirkungsketten, ohne die Eintrittswahrscheinlichkeit einzelner Szenarien vorab zu bewerten. Die Methode wurde gewählt, um für jedes Trendthema eine Vielzahl an Entwicklungsmöglichkeiten sichtbar zu machen und damit ein robustes Fundament für weiterführende Analysen zu schaffen.

Visual Roadmap

Die Visual Roadmap wurde vom iit entwickelt. Sie ist ein strategisches Planungsinstrument, das zukünftige Entwicklungen zeitlich und thematisch strukturiert darstellt. Sie erlaubt es, ausgehend von einem definierten Zielbild (z. B. ein Geschäftsmodell im Jahr 2035) rückwärts zu analysieren, welche Anwendungen, Technologien, Rahmenbedingungen und Maßnahmen erforderlich sind, um dieses Ziel zu erreichen. Die Methode folgt dabei einem klaren Vier-Ebenen-Ansatz: (1) Geschäftsmodelle und angestrebte Wirkungen, (2) notwendige Produkte und Services, (3) technologische Voraussetzungen sowie (4) sozioökonomische Rahmenbedingungen und konkrete Maßnahmen. Durch diese vertikale und horizontale Struktur werden kritische Meilensteine, Abhängigkeiten und Handlungsfelder klar sichtbar. Ihre Auswahl begründet sich darin, dass sie eine Brücke zwischen visionären Zielszenarien und konkreten Handlungsoptionen schlägt und somit die im Futures Wheel identifizierten Möglichkeiten in eine umsetzungsorientierte Logik überführt.

Gerade für den Thüringer Foresight-Prozess und die hier ausgewählten fünf Fokustrends erwies sich die Kombination dieser beiden Methoden als besonders geeignet. Zum einen erlaubte das Futures Wheel, unter den Bedingungen hoher technologischer Dynamik und strategischer Unsicherheit einen breit angelegten Möglichkeitsraum zu erschließen und dabei auch überraschende oder gegenläufige Entwicklungspfade sichtbar zu machen. Zum anderen stellte die Visual Roadmap sicher, dass diese explorativ identifizierten Pfade in eine kohärente Zukunftsarchitektur überführt werden konnten – mit klaren Zeithorizonten, kritischen Meilensteinen und benannten Handlungsfeldern. Die Methoden ergänzten sich somit ideal: Die Stärken des Futures Wheels in der kreativen, divergenten Ideengenerierung und der Identifikation systemischer Wechselwirkungen wurden mit den Stärken der Visual Roadmap in der konvergenten Strukturierung, Priorisierung und Operationalisierung verbunden. Dadurch konnte nicht nur die Komplexität der Fokustrends angemessen abgebildet, sondern auch eine direkte Anschlussfähigkeit an strategische Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in Thüringen geschaffen werden.

In beiden Workshops diente das Futures Wheel am Vormittag zur Erkundung möglicher Wirkungsketten. Am Nachmittag wurde mit der Visual Roadmap auf Basis einer wünschenswerten Zielvorstellung im Sinne eines Backcasting-Ansatzes erarbeitet, welche Technologien, Produkte und Services sowie welche politischen, gesellschaftlichen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen bis 2035 geschaffen werden müssten, um diese Pfade zu realisieren.

4. Ergebnisse: Fokustrends

Die Ergebnisse des ersten Foresight-Zyklus von Innovativ Thüringen und dem Instituts für Innovation und Technik (iit) in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH werden folgend aufgeführt und im Details dargestellt. Kapitel 4 gibt eine Übersicht zu den Fokusthemen, die den gesamten Foresight-Prozess, inklusive Antizipationsworkshop, durchlaufen haben. In Kapitel 5 werden weitere relevante Zukunftsthemen adressiert.

Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über alle Trendthemen aus Zyklus I: 20 Themen wurden im Trendworkshop 2024 bearbeitet. Davon wurden fünf für die Antizipationsworkshops ausgewählt.

4.1 Übersicht Trendthemen

ThemaForesight-Prozess
KI-gestützte, robotische und immersive Technologien für personalisierte Gesundheit Trend- und Antizipation-Workshop
eHealth-Systeme auf KI-Basis Trend- und Antizipation-Workshop
Kontext-sensitive Sensorik Trend- und Antizipation-Workshop
Intelligente Bildverarbeitung für adaptive Systeme Trend- und Antizipation-Workshop
Quantenbasierte und neuromorphe Technologien Trend- und Antizipation-Workshop
Kommerzialisierung und Technologisierung der Weltraumforschung Trendworkshop
Neue Ansätze zur Bewältigung von Umwelt- und Gesundheitsherausforderungen Trendworkshop
Ganzheitliche Ansätze zum integrierten Energiemanagement Trendworkshop
Fortschrittliche Materialien und Technologien für Energie- und Informationssysteme Trendworkshop
Intelligente Städte mit Fortschritten in Infrastruktur, KI und Cybersicherheit Trendworkshop
Fortschrittliche Autonomie- und Sicherheitsstrategien für unbemannte Flugsysteme Trendworkshop
Nachhaltige und energiesparende integrierte Wärme-/Kältesysteme Trendworkshop
KI-, IoT- und Modellierungstechnologien für Landwirtschaft, Umweltmonitoring und Ressourcenmanagement Trendworkshop
Synergistische Digital Twins und IoT-Systeme Trendworkshop
Personalisierte Medizin: Diagnostik, Therapien & Gesundheitsstrategien Trendworkshop
Multimodale KI-Anwendungen und Sprachverarbeitung der neuen Generation Trendworkshop
Innovative Therapieplattformen & Biomimetik für personalisierte Medizin Trendworkshop
Biotechnologische Innovationen und Genomik zur Verbesserung der Lebensqualität Trendworkshop
Internet of Vehicles (iov), intelligente Verkehrssysteme und Cybersicherheit Trendworkshop
Multimodale Interaktionen und Embodiment in Hybridumgebungen Trendworkshop

4.2 KI-gestützte, robotische und immersive Technologien für personalisierte Gesundheit – für eine Medizin, die individueller, zugänglicher und wirksamer wird

Die personalisierte Gesundheitsversorgung steht an der Schwelle zu einer fundamentalen Transformation. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Robotik sowie immersive Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) eröffnen vielversprechende Perspektiven, um medizinische Rehabilitation und Versorgung individueller, effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Im Zentrum dieses Trends steht die Verknüpfung von datengestützten Entscheidungsgrundlagen mit Präzisionstechnologien und immersiven Therapieformen. Thüringen kann in diesem Kontext eine Vorreiterrolle übernehmen, indem es seine technologischen und wissenschaftlichen Stärken mit einer patientenzentrierten Innovationskultur verknüpft.

Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologien sind vielfältig: KI ermöglicht eine automatisierte Analyse von Gesundheitsdaten, wodurch personalisierte Therapiepläne und Ernährungs- und Lebensstilberatungen erstellt werden können. Robotik unterstützt insbesondere in der Rehabilitation, bspw. durch robotergestützte Physiotherapie oder feinmotorische Übungen bei neurologischen Krankheitsbildern. Immersive Technologien wie VR-basierte Exergames steigern nicht nur die Motivation von Patienten, sondern verbessern auch gezielt das Gleichgewicht, die Fitness und das Schmerzmanagement der Nutzer. Zudem eröffnen Tele-Rehabilitation und Telepräsenzrobotik neue Möglichkeiten für eine ortsunabhängige Versorgung und gleichsam eine intensivere Patientenbegleitung.

Neben diesen technischen Chancen gilt es jedoch auch, zentrale Herausforderungen zu adressieren. Die Entwicklung und Implementierung KI-gestützter, robotischer und immersiver Technologien erfordert ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, Präzision und fortlaufender Kalibrierung, um Vertrauen in die Technologie und damit einhergehend ein hohes Akzeptanzniveau bei den Zielgruppen (Ärzte und Patienten) zu erreichen. Zentrale Voraussetzung dafür sind umfassende Datenschutz- und Datensicherheitsmaßnahmen, da in diesem Anwendungsfeld sensible Gesundheitsdaten verarbeitet werden.

Für den Trend KI-gestützte, robotische und immersive Technologien für personalisierte Gesundheit lautete in der qualitativen Analyse die Annahme, dass ein privates Technologieunternehmen im Jahr 2026 in Weimar ein Reallabor für KI-basierte Robotik im Gesundheitswesen eröffnet, mit Schwerpunkt auf kollaborativen Robotern zur Unterstützung medizinischen Personals bei Operationen und Pflegeaufgaben. Ein Reallabor ist ein testräumlicher Ansatz, in dem technologische Innovationen unter realen Bedingungen gemeinsam mit Praxisakteuren erprobt und weiterentwickelt werden.

Ergebnisse des Futures Wheels

Im Rahmen des Futures Wheels wurde mit der Annahme eines Reallabor in Weimar gearbeitet (s. o). Ziel war es, auf Basis dieser Annahme den Möglichkeitsraum zukünftiger Entwicklungen systematisch zu erschließen. Dabei wurden drei zentrale Entwicklungspfade identifiziert, die unterschiedliche Potenziale und Herausforderungen für den Standort Thüringen aufzeigen. Entwicklungspfade, die im Rahmen des Futures Wheels identifiziert wurden:

Erstens könnte das Reallabor als Innovationsmotor wirken, indem es Zulieferbetriebe in Thüringen einbindet und neue Geschäftsmodelle sowie Ansiedlungsimpulse für technologieorientierte Unternehmen schafft. In diesem Kontext eröffnet sich für Thüringer Zulieferunternehmen die Chance, aktiv an der Ausstattung des Reallabors mitzuwirken. Voraussetzung dafür ist eine gezielte Vernetzung zwischen dem Reallabor und potenziellen regionalen Zulieferern. Eine solche Vernetzung könnte bspw. durch eine von der Politik initiierte Fachmesse gefördert werden. Alternativ wären auch spezialisierte Fachveranstaltungen zur Kooperationsanbahnung denkbar. Als Folgewirkung dieser Entwicklung ist es vorstellbar, dass bestehende Unternehmen ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln oder neue Geschäftsfelder erschließen. Zudem könnte das Reallabor als wirtschaftlicher Impulsgeber fungieren und neue Unternehmen nach Thüringen ziehen – insbesondere solche, die bislang lokal nicht verfügbare Systemkomponenten künftig in regionaler Nähe fertigen möchten.

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Zweitens birgt die technologische Pionierleistung des Reallabors das Potenzial, Bildungssysteme und Forschungsaktivitäten nachhaltig zu verändern, etwa durch neue Ausbildungsberufe und die Etablierung interdisziplinärer Forschung im Bereich Mensch-Roboter-Interaktion. Es ist denkbar, dass die Industrie- und Handelskammern den entstehenden Technologie- und Wissensschub aufgreifen, um neue, zukunftsgerichtete Ausbildungsberufe im Bereich KI-gestützter Robotik und digitaler Gesundheitsanwendungen zu zertifizieren. Dadurch würde der Bildungsbereich frühzeitig auf den sich wandelnden Qualifikationsbedarf reagieren und neue Qualifikationsprofile gezielt in den Ausbildungsmarkt integrieren. Parallel dazu könnten auch Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen das Reallabor als strategischen Impulsgeber begreifen. Sie könnten neue Programme initiieren und bislang wenig erschlossene Forschungsfelder – etwa im Bereich Mensch-Roboter-Interaktion im medizinischen Umfeld – gezielt weiterentwickeln. In der Folge könnten sich nicht nur neue interdisziplinäre Arbeitsformen etablieren, sondern auch die berufliche Aus- und Weiterbildung selbst strukturelle und inhaltliche Veränderungen erfahren. Dies würde langfristig zur Stärkung der Innovations- und Anpassungsfähigkeit des regionalen Bildungssystems beitragen.

Drittens könnte der Impuls aus dem Reallabor zu einer strategischen Neuausrichtung technologieorientierter Unternehmen (Know-how zum Health-Tech) führen, die ihre Kompetenzen in bzw. auf den Gesundheitsbereich ausweiten, sich neu vernetzen und neue Marktsegmente erschließen. Alle drei Entwicklungspfade verdeutlichen die Notwendigkeit gezielter politischer, struktureller und infrastruktureller Rahmenbedingungen, um Thüringen als Standort für digitale Gesundheitsinnovationen langfristig zu stärken. Angestoßen durch das Reallabor könnten Unternehmen aus den Bereichen Robotik, KI, Sensorik oder Optik, die bereits im Gesundheitssektor aktiv sind oder jene, die dies bislang noch nicht sind, neue Geschäftsfelder erschließen. Der technologische Bedarf des Reallabors sowie die erhöhte Sichtbarkeit entsprechender Anwendungen im medizinischen Umfeld könnten als Katalysator wirken, um bestehende Kompetenzen in neue Märkte zu übertragen. In der Folge wären unterschiedliche Dynamiken vorstellbar: Unternehmen könnten gezielt Kooperationen mit Forschungsinstitutionen eingehen und in ihre Organisation integrieren oder neue Produkte und Patente entwickeln. Um diesen Transformationsprozess zu unterstützen und optimale Rahmenbedingungen für Unternehmen zu schaffen, wären wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf ein Matching relevanter Akteure zielen, sinnvoll. Gleichzeitig sollten die einschlägigen Clusterstrukturen gestärkt werden, um Synergien zwischen Forschung, Lehre, Industrie und neuen Märkten effektiv zu fördern.

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Ergebnisse der Visual Roadmap

Im Rahmen der qualitativen Weiterentwicklung der im „Futures Wheel“ gewonnenen Erkenntnisse zur Annahme eines verstärkten Einsatzes von Robotik und KI in Thüringen wurden von den Experten drei Geschäftsmodelle identifiziert, mit denen im Jahr 2035 voraussichtlich wirtschaftlicher Erfolg generiert werden kann. Die Visual Roadmap zeigt den Zusammenhang zwischen (i) Anwendungen und Geschäftsmodellen, (ii) erforderlichen Technologien und (iii) gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die zur Erreichung eines für den Innovationsstandort positiven Zielpunkts erforderlich sind. Der Zeithorizont spannt sich von 2025 bis 2035.

Anwendungen und Geschäftsmodelle
Entwickelte Geschäftsmodelle:Produkte & Dienstleistungen:
Robotersysteme für Pflege und Gesundheit
Ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell wurde im Bereich intelligenter Robotersysteme für die häusliche Pflege identifiziert. Dazu zählen unter anderem superleichte, bewegungsunterstützende Exoskelette sowie neue Robotersysteme, die pflegerische Aufgaben übernehmen oder ergänzen. Diese Technologien adressieren den demografischen Wandel und die zunehmende Nachfrage nach individueller Betreuung im häuslichen Umfeld.
  • Neues Robotersystem für die häusliche Pflege
  • Bewegungsunterstützende Hilfsmittel
  • Superleichte und intelligente Exoskelette
  • Einsatz von Robotik in der Pflege
  • Neues Robotersystem für den OP-Saal
  • Komponenten für Sicherung / Wartung
  • (Netzwerk für) Stabiles Firmennetzwerk
Schulungs- und Weiterbildungszentren
Ein weiteres Geschäftsmodell könnte durch spezialisierte Informations- und Schulungszentren entstehen, die sich auf Robotik- und KI-Anwendungen im Gesundheits- und Logistikbereich konzentrieren. Kliniken und andere Einrichtungen können dort gezielt ihre Mitarbeitenden an neuen Technologien schulen lassen, wodurch nicht nur die Technikakzeptanz, sondern auch deren effiziente Integration in bestehende Abläufe gefördert wird.
  • Informations-/Schulungszentrum
  • Dienstleistung: Schulung in Robotik-Anwendungen
  • Kliniken schulen dort ihre Mitarbeiter an neuen Technologien
  • AR / VR / XR für Produktinformation oder auch Weiterbildungen (z. B. im Unternehmen ZEISS)
  • (Simulierte) Umgebungen
  • Netzwerk-Strukturen (digital)
Modulares Baukastensystem für Robotik & KI
Schließlich könnte ein offenes Baukastensystem, das unterschiedliche Komponenten aus den Bereichen Robotik und Künstliche Intelligenz verschiedener Anbieter integriert, ein mögliches skalierbares und anpassungsfähiges Geschäftsmodell sein. Dies würde die passgenaue Konfiguration technischer Systeme je nach Einsatzgebiet ermöglichen – sei es in der Pflege, der Logistik oder der Produktion – und eröffnet neue Marktpotenziale für Thüringer Unternehmen.
  • Baukastensystem: Gesamtsystem aus Robotik & KI – verschiedene Anbieter
  • Einsatz von Robotik im Logistikbereich
  • Software-Insellösungen je Problem
  • Schnittstellen Robotik ↔ Software
Rahmenbedingungen

Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung dieser Geschäftsmodelle und dazu erforderlicher Technologien, Produkte und Dienstleistungen sind grundlegende strukturelle und systemische Voraussetzungen erforderlich. Politisch-strategische Steuerung und Koordination: Eine zielgerichtete Entwicklung erfordert klare politische Steuerung und institutionelle Koordination. Landesministerien, die LEG als Wirtschaftsförderung des Landes und fachspezifische Interessensverbände müssen gemeinsam eine strategische Vision verfolgen. Durch eine abgestimmte Schwerpunktsetzung können so Ressourcen gebündelt und zielgerichtete Investitionen sowie Fördermaßnahmen etabliert werden. Hochschulen sind dabei zentrale Partner in Forschung, Ausbildung und Technologietransfer. Bildung, Fachkräfte & Qualifizierung: Der Aufbau eines zukunftsfähigen Ökosystems für Robotik und KI erfordert gut ausgebildete Fachkräfte. Dazu müssen Curricula an Berufsschulen, Hochschulen und in der beruflichen Weiterbildung modernisiert werden. Besonders wichtig sind interdisziplinäre Kompetenzen in den Bereichen Robotik, Softwareentwicklung, Pflege und Medizintechnik. Forschungseinrichtungen sollten thematisch und infrastrukturell auf robotische und KI-Anwendungen ausgerichtet werden. Rechtliche & regulatorische Grundlagen: Für die Marktfähigkeit und Sicherheit robotischer Systeme sind verlässliche rechtliche Rahmenwerke unerlässlich. Dazu zählen europaweit abgestimmte Haftungsregeln, regulatorische Standards für den Einsatz sensibler Technologien sowie einheitliche Zertifizierungsprozesse. Diese Vorgaben schaffen Vertrauen bei Nutzern, Entwicklern und Investoren – und ermöglichen grenzüberschreitende Skalierung. Ökosystem und Netzwerkbildung: Ein leistungsfähiges Innovationsökosystem lebt von funktionierenden Netzwerken. Bestehende Kompetenzzentren, wie im Bereich KI und Medizintechnik, müssen vernetzt, Synergien gezielt gefördert und technologische Offenheit institutionell verankert werden. Cluster- und Netzwerkorganisationen, wie OptoNet e.V. oder medways e.V. spielen hier eine zentrale Rolle als Brückenbauer zwischen Forschung, Industrie und Anwendung.

Technologien

Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung der antizipierten Geschäftsmodelle und dazu gehöriger Produkte und Dienstleistungen sind folgende technologische Voraussetzungen erforderlich:

Technologische VoraussetzungHerausforderungen
Sensorik und Körpersignalverarbeitung
Ziel ist die hochpräzise Erfassung physiologischer Zustände des menschlichen Körpers im Alltag, in der Pflege oder im OP. Zum Einsatz kommen verschiedenartige Sensoren (z.?B. optisch, bioelektrisch, mechanisch), die Körpersignale und Vitalparameter in Echtzeit erfassen.
Zuverlässigkeit unter realen Bedingungen (z.?B. Feuchtigkeit, Bewegung), Miniaturisierung, energieeffiziente Datenübertragung, hohe Datenrate bei begrenzter Bandbreite.
Motoriksysteme und Aktorik für Medizinrobotik
Mechanische Präzision, adaptive Bewegungsführung und biomechanische Kompatibilität stehen im Zentrum dieser Schlüsseltechnologie. Sie ermüglicht OP-Assistenzsysteme, Exoskelette oder robotergestützte Pflegehilfen.
Dynamikanpassung an menschliche Bewegungsmuster, Materialermüdung, Zertifizierung von sicherheitskritischen Antriebssystemen.
Rechenleistung & Embedded Hardware für Edge-KI
für KI-gestützte medizinische Systeme braucht es leistungsfähige, miniaturisierte Hardware (z.?B. spezialisierte Chips für Bildverarbeitung, Sensorfusion, ML-Algorithmen). Diese leistungsfähige Hardware bildet das Rückgrat für Echtzeitfähigkeit medizinischer Assistenzsysteme. Dabei sind spezialisierte Chips (z.?B. ASICs, RISC-V) entscheidend
Thermische Effizienz, Zuverlässigkeit im Dauerbetrieb, Sicherheitsanforderungen bei körpernahen Systemen.
Methodik & Softwareentwicklung für medizinische Geräte
Medizinsoftware erfordert hohe Standards in Bezug auf Zuverlässigkeit, Nachvollziehbarkeit und Regulierung. Neben Applikationsentwicklung sind generische Methoden entscheidend, bspw. algorithmische Validierung, Explainable AI, semantische Datenannotation. Ziel ist insofern die Entwicklung insbesonderer KI-basierter Software mit hoher Verlässlichkeit.
Zulassungsverfahren nach MDR/IVDR, Modellrobustheit unter Bias-Bedingungen, Black-Box-Verhalten bei Deep Learning.
KI-basierte Robotersysteme für medizinische Operationen
Hier verbinden sich KI, Sensorik, Motorik, Bildverarbeitung und Steuerungstechnik zu autonomen oder teilautonomen robotischen Systemen. KI-Algorithmen analysieren Bild- und Sensordaten in Echtzeit und unterstützen die Entscheidungsfindung.
Sicherheitszertifizierung, Haftungsfragen, Grenzbereich zwischen Assistenz und Autonomie sowie Zulassungsfragestellungen für hochautomatisierte Systeme, ethische und rechtliche Abgrenzung von Assistenz und Autonomie.
AR/VR/XR für Schulung und Interaktion
XR-Technologien erweitern die Interaktion mit medizinischen Systemen. Sie kommen in der Schulung von Klinikpersonal, der Patientenaufklärung sowie der Fernassistenz zum Einsatz, z.?B. durch virtuelle Schulungen, interaktive Assistenz oder Fernberatung. Im Fokus steht dabei auch die Weiterentwicklung immersiver, intuitiv nutzbarer Schnittstellen.
Ergonomie, Akzeptanz und Usability in medizinischen Kontexten, Echtzeitfähigkeit bei hoher Datenkomplexität, Integration mit klinischen Routinen.
Lizenzierung & Patentierung im MedTech-Bereich
Um wirtschaftliche Verwertung sicherzustellen, sind Schutzrechte und rechtssichere Lizenzmodelle erforderlich. Besonders wichtig ist dies für KI-Methoden, da hier häufig keine materielle Komponente vorliegt.
Schnelligkeit und Internationalität von Patentverfahren, Schutz nicht materieller Innovationen (Software, Algorithmen).

Wege in die Zukunft: KI-basierte Gesundheitsrobotik für mehr Innovationen

Ausgehend von diesem Möglichkeitsraum könnte Thüringen im Jahr 2035 entweder durch ein modulares Baukastensystem für Robotik- und KI-Produkte oder durch ein international ausgerichtetes Schulungszentrum im Bereich KI-gestützter Robotik wirtschaftliche Wertschöpfung generieren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist Folgendes von zentraler Bedeutung: aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und die bestehenden Unternehmen im Sinne einer aktiven Industriepolitik bedarfsorientiert unterstützen, Datenräume und Schnittstelleninfrastruktur schaffen sowie den Instituten und Unternehmen die erforderlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen.

Die Visual Roadmap zur Zukunft von KI-gestützten, robotischen und immersiven Technologien für personalisierte Gesundheit skizziert den Weg Thüringens hin zu einem hochvernetzten Versorgungs- und Technologiestandort. Zentrale Rolle spielen dabei robotische Systeme für die medizinische Versorgung, die Pflege und Logistik sowie immersive Technologien wie AR, VR oder XR, die neue Möglichkeiten für Schulung, Fernunterstützung und Entscheidungsassistenz eröffnen. Die Weiterentwicklung von Sensorschnittstellen, Softwareintegration, Navigationstechnologien und aktiven Systemen bildet die Grundlage für zukunftsfähige Anwendungen in Echtzeitumgebungen.

Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von robotischer Assistenz im OP-Saal und der Pflege über simulationsgestützte Trainingsformate bis hin zu neuartigen Dienstleistungsangeboten im Gesundheitsbereich. KI-basierte Dienstleistungen, modulare Baukastensysteme für medizinische Robotik und neue Geschäftsmodelle zur Kombination von Technologie und personalisierter Versorgung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dabei eröffnen sich auch neue Rollen für potenzielle Versicherungsanbieter, die KI-gestützte Risiken absichern könnten. Die Roadmap macht deutlich, dass für eine nachhaltige Einführung dieser Technologien geeignete regulatorische, technologische und organisatorische Rahmenbedingungen erforderlich sind. Standards müssen weiterentwickelt, Weiterbildungssysteme angepasst und digitale Infrastrukturen ausgebaut werden. Es ist daher sinnvoll, durch eine gezielte Abfrage im Netzwerk von Innovativ Thüringen zu prüfen, welche Akteure aus Wissenschaft und Industrie sich bereits in relevanten Standardisierungsgremien auf nationaler und europäische Ebene einbringen. Es ist aus anderen Bundesländern bekannt, dass Unternehmen und Forschungseinrichtungen häufig nicht über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um sich mit ihrem Know-how und zum Wohle der heimischen Innovationslandschaft stark in Normungs- und Standardisierungsprozessen einzubringen. Daher könnte es sinnvoll sein, gezielt relevante thüringische Stakeholder zu identifizieren, die vonseiten der Landesregierung eine Förderung erhalten, um hier Personalressourcen bereitzustellen. Um eine hohe Kohärenz der Aktivitäten thüringischer Akteure zu erzielen und Partikularinteressen auszugleichen, kann es darüber hinaus sinnvoll sein, einen ständigen Fachdialog zum Thema „Standards made in Thüringen“ zu etablieren, in dem sich die in Standardisierungsgremien mitwirkenden Akteure aus dem Freistaat gemeinsam mit der Landesregierung kontinuierlich austauschen und gemeinsame Zielstellungen diskutieren. Die Zusammenarbeit zwischen Ministerien, Universitäten, Wirtschaftsförderern wie LEG sowie Forschungsplattformen wie OptoNet e.V. oder medways e.V. wird als zentraler Hebel gesehen, um gemeinsame Ziele umzusetzen. Gleichzeitig braucht es transparente Prozesse für Bürgerbeteiligung und gesellschaftliche Akzeptanz.

Fachkräfte sind ein kritischer Erfolgsfaktor. Es bedarf neuer Qualifikationsprofile, insbesondere an den Schnittstellen zwischen Technik, Pflege, Softwareentwicklung und Medizin. Schulungszentren, Reallabore und Plattformen zur Aus- und Weiterbildung müssen daher systematisch mitgedacht und institutionell verankert werden. Auch die Frage nach lokalem Training von Robotern, digitaler Unterstützung im Alltag und Inklusion verschiedener Nutzergruppen wird immer relevanter. Bezogen auf eine vorausschauende Veränderung von Jobprofilen könnte es sinnvoll sein, mittels vorausschauender Analyse künftiger Kompetenzanforderungen an der oben beschriebenen Schnittstelle gezielt abzuschätzen, welche Berufsbilder sich in den kommenden fünf bis zehn Jahren entwickeln könnten. Dies würde es der Landesregierung und der Weiterbildungslandschaft im Freistaat erleichtern, frühzeitig erforderliche curriculare, didaktische und kapazitive Veränderungen voranzutreiben.

4.3 eHealth-Systeme auf KI-Basis – mit dem Potenzial, medizinische Versorgung durch vorausschauende Analyse, präzise Diagnostik und individualisierte Prävention grundlegend zu verändern

Der Einsatz von KI in eHealth-Systemen markiert einen tiefgreifenden Wandel im Gesundheitswesen. Durch die intelligente Auswertung von Patientendaten können Krankheiten früher erkannt, Diagnosen unterstützt und individuelle Therapiepläne entwickelt werden. Präventive Maßnahmen lassen sich gezielter anstoßen, während der Zugang zu medizinischer Versorgung verbessert und medizinisches Personal durch automatisierte Routinetätigkeiten entlastet wird. Diese Technologien schaffen nicht nur Effizienzgewinne, sondern eröffnen neue Perspektiven für eine personalisierte, präzisere und umfassendere Versorgung. Konkrete Beispiele für KI-basierte eHealth-Systeme reichen von KI-gestützter Analyse medizinischer Bilddaten (bspw. Röntgenaufnahmen oder MRT-Scans) über digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die Patienten in der Bewältigung chronischer Erkrankungen unterstützen, bis hin zur Ausweitung telemedizinischer Beratungen. Auch elektronische Patientenakten und Gesundheitskarten sind wesentliche Bausteine einer digital vernetzten, KI-gestützten Gesundheitsversorgung.

Diese Entwicklungen reichen in die gesamte Wertschöpfungskette des Gesundheitswesens hinein. Sowohl stationäre Einrichtungen als auch ambulante Praxen und Pflegedienste für die Häuslichkeit sowie Kommunen und ihre Gesundheitsämter könnten als Nutzer dieser Technologien unmittelbar berührt sein. Zentrale Akteure in der Weiterentwicklung dieser Technologien sind einerseits Unternehmen der Medizintechnik, der Softwareentwicklung und der Datenanalyse, andererseits Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Weiterbildungsinstitutionen, die den notwendigen Wissenstransfer und die Ausbildung zukünftiger Fachkräfte sichern.

Insbesondere in Thüringen eröffnen sich durch diese Technologien Chancen, die über rein technologische Aspekte hinausgehen. Es ist denkbar, dass regionale Versorgungsunterschiede ausgeglichen werden könnten, dass die medizinische Versorgung in ländlichen Räumen besser angebunden und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle für Unternehmen erschlossen würden. Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Freistaat verfügen bereits heute über zentrale Kompetenzen in der Medizininformatik, der KI-Entwicklung oder auch der Versorgungsforschung.

Für die qualitative Analyse des Trends wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass bis Ende 2035 60 Prozent der Krankenhäuser und Arztpraxen in Thüringen KI-basierte Diagnosesysteme einsetzen. Im Januar 2025 wurden im Rahmen eines Expertenworkshops mithilfe des Futures Wheels mögliche zentrale Entwicklungspfade des Trends identifiziert und unter Einsatz der Visual Roadmap ein Zukunftspfad entwickelt, der beschreibt, wie ein für den Innovationsstandort Thüringen positiver Zielpunkt im Jahr 2035 erreicht werden kann.

Ergebnisse des Futures Wheels

Im Rahmen des Futures Wheels wurde mit der Annahme gearbeitet: „Bis Ende 2035 setzen 60 Prozent der Krankenhäuser und Arztpraxen in Thüringen KI-basierte Diagnosesysteme ein.“ Ziel war es, auf Basis dieser Annahme den Möglichkeitsraum zukünftiger Entwicklungen systematisch zu erschließen. Dabei wurden drei zentrale Entwicklungspfade identifiziert, die unterschiedliche Potenziale und Herausforderungen für den Standort Thüringen aufzeigen. Im Ergebnis wurden drei zentrale Entwicklungspfade identifiziert:

Klinische Daten als Innovationsmotor: Ein erster Entwicklungspfad, der im Rahmen dieses Futures Wheels identifiziert wurde, betrifft den leichteren Zugang zu klinischen Daten im Zuge der breiten Einführung KI-basierter Diagnosesysteme. Wenn ein Großteil der Krankenhäuser und Arztpraxen in Thüringen solche Systeme bis 2035 einsetzt, würde dies einerseits zu verkürzten Innovationszyklen im medizinischen Bereich führen, da neue Anwendungen schneller entwickelt, getestet und implementiert werden könnten. Andererseits ließen sich dadurch auch die diagnostische Präzision und Qualität der Versorgung signifikant verbessern. Dementsprechend ist denkbar, dass neue datengetriebene Geschäftsmodelle entstehen, die sowohl technologische als auch organisatorische Innovationen im Gesundheitswesen fördern. Gleichzeitig könnten sich Anreizsysteme zum Teilen medizinischer Daten herausbilden, bspw. durch standardisierte Plattformen oder regulatorische Rahmenbedingungen. Darüber hinaus könnte Thüringen verstärkt internationale Best Practices übernehmen oder selbst zur Referenzregion für sogenannte „Learning Journeys“ werden, bei denen Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch systematisch organisiert werden.

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KI verändert Anforderungs- und Qualifikationsprofile: Ein zweiter Entwicklungspfad, der im Rahmen des Futures Wheels zur Annahme identifiziert wurde, betrifft die veränderten Qualifikationsanforderungen, die mit dem flächendeckenden Einsatz KI-basierter Diagnosesysteme einhergehen. Wenn diese Systeme bis 2035 in 60 Prozent der Krankenhäuser und Arztpraxen in Thüringen zum Einsatz kommen, werden sich neue Anforderungen an Fachkräfte im Gesundheitswesen, an Technikdienstleister, Verwaltungspersonal sowie Entscheidungsträger stellen. In der Folge müsste das Ausbildungssystem entsprechend angepasst werden, um sowohl technische Kompetenzen im Umgang mit KI-Systemen als auch ein fundiertes Verständnis für deren gesellschaftlichen und ethischen Implikationen zu vermitteln. Diese Weiterentwicklung des Qualifikationsprofils könnte zugleich eine wichtige Voraussetzung für die gesellschaftliche Akzeptanz solcher Systeme schaffen. Wenn medizinisches Personal, aber auch Patienten ein vertieftes Verständnis für Funktionsweise, Grenzen und Nutzen KI-basierter Diagnostik gewinnen, steigt die Wahrscheinlichkeit einer breiten Akzeptanz und vertrauensvollen Nutzung. Der Wandel hin zu einer umfassenden Kompetenzentwicklung könnte somit nicht nur die fachliche Qualität sichern, sondern auch zum sozialen und kulturellen Fundament für den erfolgreichen Einsatz von KI im Gesundheitswesen werden.

Datenspende, Infrastruktur, Geschäftsmodelle: Ein dritter Entwicklungspfad, der im Futures Wheel identifiziert wurde, adressiert den Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten im Kontext der zunehmenden Nutzung KI-basierter Diagnosesysteme. Wenn solche Systeme bis 2035 in einem Großteil der Thüringer Gesundheitseinrichtungen zum Einsatz kommen, ist mit einer generellen Steigerung der Datensicherheit zu rechnen. Dies würde nicht nur das Vertrauen in datenbasierte Technologien stärken, sondern auch die gesellschaftliche Diskussion über den Wert und die Bereitschaft zur Datenspende neu beleben, insbesondere mit Blick auf medizinischen Fortschritt und personalisierte Versorgung. Im Zuge dieser Entwicklung könnte sich eine robuste, vertrauenswürdige Dateninfrastruktur als zentrale Voraussetzung herausbilden. Auf dieser Basis wären vielfältige neue Geschäftsmodelle denkbar, bei denen Unternehmen Gesundheitsdaten – im Rahmen rechtlicher und ethischer Standards – zur Entwicklung innovativer Produkte und datenbasierter Services nutzen. So würde sich rund um die Themen Datensouveränität, Infrastruktur und Innovation ein dynamisches neues Ökosystem formieren, das wirtschaftliche Impulse mit gesellschaftlichem Mehrwert verknüpft.

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Ergebnisse der Visual Roadmap

Im Rahmen der qualitativen Weiterentwicklung der im Futures Wheel gewonnenen Erkenntnisse zur Annahme, dass bis Ende 2035 60 Prozent der Krankenhäuser und Arztpraxen in Thüringen KI-basierte Diagnosesysteme einsetzten, wurden von den Experten drei Geschäftsmodelle identifiziert, mit denen im Jahr 2035 voraussichtlich wirtschaftlicher Erfolg generiert werden kann. Die Visual Roadmap zeigt den Zusammenhang zwischen (i) Anwendungen und Geschäftsmodellen, (ii) erforderlichen Technologien und (iii) gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die zur Erreichung eines für den Innovationsstandort positiven Zielpunkts erforderlich sind. Der Zeithorizont spannt sich von 2025 bis 2035.

Anwendungen und Geschäftsmodelle
Entwickelte Geschäftsmodelle:Produkte & Dienstleistungen:
Datenverwalter/Datentreuhänder
Ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell ergibt sich im Bereich der Datentreuhänderschaft im Gesundheitswesen. Datentreuhänder übernehmen eine vermittelnde Rolle zwischen datenhaltenden Einrichtungen (z. B. Kliniken, Labore), anwendungsorientierten Akteuren (etwa Start-ups oder Versorgungsplattformen) und regulatorischen Instanzen. Sie schaffen Vertrauen durch rechtssichere Datenverwaltung, Einwilligungsmanagement und datenschutzkonforme Zugriffsstrukturen.
  • Datenmanagement für klinische Daten
  • Datenbasierte Gesundheitsmodelle (GM), z. B. aus medizinischen Geräten
  • Zertifizierung von IT-Software
  • Zertifizierung/QM
  • Schulungen für Gesamtprozesse
KI-basierte Auswertung medizinischer Bilddaten
Ein weiteres Geschäftsmodell liegt in der Entwicklung und Anwendung von KI-Systemen zur medizinischen Bilderkennung. Dabei geht es nicht nur um Diagnostikunterstützung, sondern auch um Mustererkennung, Frühwarnsysteme und strukturierte Dokumentation. Die Geschäftschance liegt in der Kombination hochspezialisierter Bildanalyseverfahren (z. B. für radiologische, dermatologische oder histologische Daten) mit lernfähigen KI-Algorithmen, die sich an neue Daten anpassen.Für Thüringer Unternehmen und Forschungseinrichtungen ergeben sich hier Potenziale in der Produktentwicklung, in der Dienstleistung (z. B. als zertifizierte Softwareanbieter) sowie in klinischen Partnerschaften mit bildgebenden Fachabteilungen.
  • KI zur Bilderdeutung
  • Reader für lokale Auswertung
  • Test-Herstellung und Upscaling
  • Schulung medizinischer Fachkräfte zur Systemintegration
  • Integration mit Workflow-Systemen
Integrierte Gesundheitsmodelle – Medizin trifft IKT
Langfristig entsteht ein skalierbares Geschäftsmodell durch die Integration medizinischer Versorgung mit Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Hier werden Gesundheitsleistungen, Therapievorschläge, Patientendaten und Versorgungsketten intelligent vernetzt. Dieses Modell zielt auf eine kontinuierliche, personalisierte und ressourcenschonende Gesundheitsversorgung – sowohl im stationären als auch im ambulanten Kontext.Thüringer Unternehmen, die technische Infrastruktur, medizinisches Fachwissen und digitale Service-Logik miteinander verbinden, können sich in diesem Feld als Systemintegratoren oder Plattformanbieter positionieren.
  • Integrierte Gesundheitsmodelle Medizin + IKT
  • Datenbasierte Gesundheitsmodelle
  • Workflow-Systeme
  • Plattformlösungen zur Vernetzung von Klinik, Praxis und Heimversorgung
  • Strukturiertes Versorgungscockpit für medizinisches Personal
Therapieorientierte KI-Systeme und Entscheidungsunterstützung
Dieses Geschäftsmodell basiert auf digitalen Assistenzsystemen für personalisierte Therapiewahl, z. B. in der Onkologie oder bei seltenen Erkrankungen. Anbieter entwickeln algorithmische Vorschlagssysteme, die Ärzte mit aktuellen Therapieempfehlungen unterstützen.
  • Therapie-Empfehlungssystem
  • Anbieter von Theranostik-Systemen
  • Integration sektorübergreifender Datenströme
  • Zertifizierte Assistenz-Software
Regionale Versorgungspartner und Gesundheitsinfrastruktur-Anbieter
Ein Geschäftsmodell, das auf eine stabile, flächendeckende medizinische Versorgung mit regionaler Verankerung abzielt. Ziel ist der Aufbau von Netzwerkstrukturen, Versorgungslösungen und Innovationszentren im ländlichen Raum – gestützt durch digitale Systeme.
  • Flächendeckende Versorgung im ländlichen Raum
  • Gesundheitserhaltung als dominantes gesellschaftliches Motiv
  • KV Thüringen als Koordinationspartner
  • TH als Leitanbieter für personalisierte Medizin
Rahmenbedingungen

Die Einführung KI-gestützter Gesundheitsanwendungen vollzieht sich in mehreren Etappen. Gesellschaftliche, regulatorische und institutionelle Bedingungen entwickeln sich dabei mit. Entlang des Zeitverlaufs lassen sich zentrale Voraussetzungen identifizieren, die schrittweise geschaffen werden müssen. Akzeptanz bei Schlüsselakteuren sichern: Bereits in der Frühphase ist entscheidend, dass zentrale Akteure im Gesundheitssystem die Potenziale neuer Technologien erkennen und sich aktiv in deren Entwicklung und Testung einbringen. Die Akzeptanz bei Lead-Anbietern, also bei großen Kliniken, forschenden Unternehmen oder Krankenkassen, wirkt als Katalysator für Markteintritt, Anschlussfähigkeit und Investitionssicherheit. Frühzeitige Beteiligung sichert zudem Relevanz und Praxisnähe der entstehenden Lösungen. Datenkooperation ermöglichen: Der Zugang zu hochwertigen klinischen Daten bleibt einer der zentralen Engpässe für die Entwicklung lernfähiger Systeme. Deshalb ist die Bereitschaft zur Datenteitung, insbesondere durch Krankenhäuser, Labore und Forschungspartner, eine wichtige Grundlage. Sie setzt Vertrauen in Governance-Strukturen voraus: Datenschutz, Zweckbindung und Sicherheit müssen verlässlich geregelt sein, damit Innovation und Verantwortlichkeit Hand in Hand gehen. Qualität dynamischer Systeme absichern: Mit wachsendem Einsatz von KI in klinischen Prozessen müssen auch die Bewertungsmaßstäbe weiterentwickelt werden. Klassische Prüfkriterien greifen zu kurz, wenn Systeme auf wechselnden Daten basieren oder kontinuierlich lernen. Entsprechend sind neue Qualitätsanforderungen zu definieren, die sowohl technische Robustheit als auch ethische und klinisch-praktische Aspekte integrieren, ohne Innovation zu blockieren. Kassenzulassung als systemische Brücke gestalten: Innovationen entfalten erst dann ihre Wirkung, wenn sie in die Regelversorgung gelangen. Dafür ist die Kassenzulassung ein struktureller Schlüsselmoment: Sie entscheidet über Verfügbarkeit, Skalierung und Refinanzierung. Bewertungs- und Erstattungsverfahren müssen deshalb an die Eigenschaften digitaler Medizin angepasst werden – etwa hinsichtlich Algorithmendynamik, Nachvollziehbarkeit und Validierbarkeit. Diversität methodisch verankern: Zuverlässige KI in der Medizin darf nicht auf Durchschnittsdaten basieren. Die gendergerechte Probenahme sowie die Repräsentation von Kindern und Jugendlichen ist daher kein Randthema, sondern ein methodischer Anspruch an Chancengleichheit und klinische Präzision. Studien, Trainings- und Validierungsprozesse müssen systematisch Diversität berücksichtigen, um Verzerrungen zu vermeiden und adäquate Diagnosen und Therapieempfehlungen zu gewährleisten. Technologieakzeptanz gesellschaftlich stabilisieren: Letztlich hängt die flächendeckende Einführung KI-basierter Systeme von ihrer hohen Akzeptanz im Alltag ab. Diese entsteht nicht durch Technik allein, sondern durch verständliche Kommunikation, erklärbare Entscheidungswege und erlebbare Verbesserung der Versorgung. Eine partizipative Entwicklungskultur, transparente Nutzungsketten und ethische Reflexion sind dabei entscheidende Faktoren für Vertrauen und Nutzungsoffenheit.

Technologien

Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung der antizipierten Geschäftsmodelle und dazu gehöriger Produkte und Dienstleistungen sind folgende technologische Voraussetzungen erforderlich:

Technologische VoraussetzungHerausforderungen
Biomarkerintegration und Screeningtechnologien
Zur frühzeitigen Erkennung individueller Gesundheitsrisiken und zur präziseren Diagnostik bedarf es integrierter, multimodaler Verfahren zur Erkennung und Kombination biologischer Marker. Die Integration verschiedener Biomarker ermöglicht eine tiefergehende Interpretation molekularer und bildgebender Diagnostik, insbesondere bei komplexen Krankheitsbildern. Auch das Screening als populationsbasierte Früherkennung profitiert von automatisierten Analyseverfahren und prädiktiven Modellen. Aufgrund des Erfordernisses zur Datenteilung Datenintegration würde die Rolle von Datentreuhändern an Relevanz gewinnen.
Standardisierung von Probenahme- und Auswertungsprozessen, Validierung prädiktiver Marker, Skalierbarkeit für breite Anwendung.
Datentechnologien für sichere und adaptive Informationsverarbeitung
Die zunehmende Vernetzung im Gesundheitssystem erfordert technologische Lösungen zur sicheren, datenschutzgerechten und anpassungsfähigen Informationsweitergabe. Federated Learning als technologische Lösung für Datenteilung ermöglicht das Trainieren von KI-Modellen, ohne dass sensible Patientendaten zentralisiert werden müssen. Ergänzend dazu ist Differential Privacy eine Schlüsseltechnologie zur Absicherung personenbezogener Informationen, die auch bei wiederholter Nutzung statistisch nicht rückverfolgbar sind.
Rechenaufwand dezentraler Lernverfahren, Absicherung verteilter Infrastrukturen, technische Komplexität bei Bereitstellung in Krankenhaussystemen.
Multimodale Bildgebung und interpretierbare KI
Für eine präzise und zuverlässige medizinische Diagnostik ist die multimodale Bildgebung zentral – also die Kombination verschiedener Bildgebungsverfahren (z. B. MRT, CT, Ultraschall) und diagnostischer Datenquellen. Zur klinischen Akzeptanz solcher Systeme sind Erklärbarkeitslösungen unerlässlich, die Entscheidungsfindungen nachvollziehbar machen – insbesondere bei KI-gestützten Analysen. Sie bilden die Grundlage für Vertrauen und ärztliche Rückversicherung.
Daten-Alignment unterschiedlicher Quellen, Echtzeitverarbeitung großer Datenmengen, Integration in klinische Workflows.
Biotechnologische Therapien und Testsysteme
Mit dem Fortschritt in regenerativer Medizin rücken stammzellbasierte Therapien in den Fokus – sowohl in der personalisierten Onkologie als auch in der Gewebe- und Organregeneration. Parallel dazu steigt der Bedarf an humanrepräsentativen Tests, die die physiologische Realität besser abbilden als klassische Tiermodelle. Solche Systeme nutzen z. B. Organ-on-a-Chip-Technologie oder KI-gestützte Zellkulturanalysen.
Standardisierung biologischer Materialien, ethische Zulassung, Langzeitverläufe.
Technologieakzeptanz durch nutzerzentriertes Design
Um technologische Systeme nachhaltig in der Versorgung zu verankern, ist deren Bedienbarkeit und Alltagstauglichkeit entscheidend. Usability und UX-Design sichern, dass medizinisches Personal wie auch Patienten neue digitale Anwendungen effektiv und ohne Barrieren nutzen können. Sie sind damit mehr als „Oberfläche“ – sondern integraler Bestandteil medizinischer Qualität.
Interdisziplinäre Entwicklungsprozesse, Variabilität medizinischer Nutzungsszenarien, Akzeptanz heterogener Nutzergruppen.

Wege in die Zukunft: Gesundheitsversorgung neu denken

Basierend auf diesem Möglichkeitsraum könnte Thüringen im Jahr 2035 zum Leitanbieter für personalisierte Medizin werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es von zentraler Bedeutung, dass geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu zählen zuverlässige Datensicherungssysteme, Dateninfrastrukturstandardisierungen, Zertifizierungen sowie Awareness und Akzeptanzprogramme für die Bevölkerung. Die Visual Roadmap zu eHealth in Thüringen beschreibt ein ambitioniertes Zukunftsbild einer digital gestützten, personalisierten und vernetzten Gesundheitsversorgung. Zentrale Rolle spielt dabei der intelligente Einsatz von KI-Technologien, etwa für Bildauswertung, Therapieempfehlungssysteme oder multimodale Diagnostiklösungen. Technologische Grundlagen wie Datenmanagementsysteme, Softwareentwicklung für die klinische Anwendung, Testplattformen oder die Integration verschiedener Biomarker bilden das Fundament einer zunehmend datenbasierten Versorgung.

Ein zentrales Ziel ist der Aufbau neuer Anbieterstrukturen, die Genomik, KI und Medizintechnik vereinen und durch vertrauenswürdige Dateninfrastrukturen gestützt werden. Damit entstehen auch neue Rollen im System, bspw. für Datentreuhänder, kuratierende Institutionen oder Unternehmen, die klinische Daten analysieren und validieren. Diese Akteure agieren in enger Abstimmung mit Ärzten, kassenärztlichen Vereinigungen und Kliniken und Patienten. Zukünftig werden Testentwicklung, Zertifizierung und Anwendung über Plattformen organisiert, die sowohl medizinische Expertise als auch digitale Systemkompetenz bündeln. Angesichts der Komplexität und hohen Ambition der beschriebenen, möglichen zukünftigen Entwicklung sollte geprüft werden, ob die Landesregierung oder Innovativ Thüringen gezielt einen crosssektoralen Dialogprozess initiiert, der die zuvor beschriebenen Stakeholder inkludiert und in dem gemeinsam über erforderliche Maßnahmen diskutiert wird, wie diese Entwicklung angereizt werden kann. Dabei kann es nicht nur darum gehen, was Politik tun kann, sondern darum zu identifizieren, welche Beiträge jeder Stakeholder zu dieser Gesamtvision beitragen kann und wird. Der Dialogprozess könnte durch eine vorgeschaltete Machbarkeitsstudie für den Aufbau einer entsprechenden Anbieterstruktur und vertrauenswürdiger Dateninfrastruktur im Freistaat unterstützt werden.

Im Mittelpunkt steht dabei der Mensch, sowohl als Nutzer neuer Systeme als auch als Teil eines integrativen Versorgungsmodells. Aspekte wie erklärbare KI, Datenschutz, geschlechtersensible Probenahme und benutzerfreundliches Design fließen zunehmend in die Entwicklung ein. Gleichzeitig entstehen neue Anforderungen an Aus- und Weiterbildung. Künftige Fachkräfte müssen sowohl technologische als auch medizinische Kompetenzen vereinen können. Entsprechende Ausbildungsformate und gezielte Weiterbildungsangebote zu maschinellem Lernen und Gesundheitstechnologien werden notwendig.

Politisch und strukturell braucht es ein koordiniertes Vorgehen, von ressortübergreifenden Förderstrategien über spezielle Programme zur Translation bis hin zur frühzeitigen Einbindung der Krankenkassen in Genehmigungs- und Markteintrittsfragen. Der Aufbau digitaler Versorgungsstrukturen im ländlichen Raum, die Entwicklung vertrauenswürdiger Datenplattformen und die Positionierung Thüringens als Modellregion für eine datengestützte, personalisierte Medizin bilden zentrale Eckpfeiler dieses Zukunftsbildes. Es sollte geprüft werden, ob der Aufbau eines Trusted Data Centers die entscheidende Basis für den Aufbau einer Modellregion sein kann. Das Trusted Data Center könnte ausgehend von seiner Funktion für den Gesundheitssektor auch branchenübergreifend und als skalierbare Lösung gedacht werden. Das Zentrum sollte nicht nur als reine Infrastruktur zur Bereitstellung von Rechenleistung und Speicherkapazitäten dienen, sondern als institutionelle Plattform, die spezielles Know-how zur Zusammenführung und Nutzung sensibler Gesundheitsdaten bereithält. Wesentlich ist die Implementierung fortschrittlicher Anonymisierungstechnologien, um den sicheren und datenschutzkonformen Umgang mit personenbezogenen Informationen zu gewährleisten. Dieses Zentrum könnte nicht nur als zentrale Ressource für die sichere Datenverarbeitung fungieren, sondern auch als koordinierende Instanz für eine föderale KI-Architektur im Gesundheitswesen auftreten. Indem es die Interoperabilität von Datensystemen fördert und als Plattform für den Austausch und die Analyse von Gesundheitsdaten dient, könnte es eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung einer datengestützten, personalisierten Medizin spielen und zugleich Thüringen als Vorreiterregion für vertrauenswürdige Gesundheitsdateninfrastrukturen etablieren.

eHealth ist kein Randthema, sondern ein strategisches Handlungsfeld für medizinische Qualität, wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftliche Teilhabe. Thüringen kann hier eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn es gelingt, Technologie, Vertrauen, Kompetenzentwicklung und Finanzierung zusammenzuführen.

4.4 Kontext-sensitive Sensorik – als Schlüssel für adaptive Systeme in Industrie, Mobilität und Alltag, die Umweltinformationen intelligent erfassen und nutzen

Unter kontext-sensitiver Sensorik werden Sensorik-Systeme zusammengefasst, die relevante Informationen aus ihrer Umgebung erfassen und interpretieren. Hierbei werden verschiedene Sensordaten, etwa optische oder akustische, verarbeitet und durch den Einsatz von KI-basierten Systemen verstärkt. Auf diese Weise können kontextabhängige Umgebungsdaten in Echtzeit analysiert und adaptive Reaktionen ermöglicht werden. Eine Kombination unterschiedlicher Sensoren und deren Signalen führt zu einer tiefgreifenden Umfeldanalyse mit einem hohen Informationsgehalt. Bisherige Anwendungsfelder reichen von autonomer Navigation von Drohnen oder Roboterschwärmen über Umweltüberwachung und Verkehrssteuerung bis hin zu Smart Homes und dem Maschinen- und Anlagenbau. Noch in der Forschung und Entwicklung befindliche kontextsensitive Anwendungen weisen eine deutlich höhere Komplexität auf. Herausforderungen liegen in der Integration und Echtzeitverarbeitung großer, heterogener Datenmengen, dem Energiebedarf mobiler Anwendungen, der Leistungsfähigkeit von spezifizierten Algorithmen sowie der Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit. Darüber hinaus erschwert insbesondere die mangelnde Standardisierung derzeit die Interoperabilität solcher Systeme.

Ein zentrales Anwendungsfeld, das zukünftig an Bedeutung gewinnen kann, ist die Weiterentwicklung von kontext-sensitiven Smart-City-Ansätzen. Hier können intelligente Sensoriksysteme dazu beitragen, urbane Räume effizienter, sicherer und nachhaltiger zu gestalten – etwa durch adaptive Verkehrssteuerung, intelligente Energieverteilung oder die frühzeitige Erkennung von Umweltbelastungen. Der Trend geht dabei klar in Richtung einer immer stärkeren Vernetzung und Integration von Sensordaten, die durch KI-basierte Auswertung neue Formen der Stadtplanung, Mobilität und Daseinsvorsorge ermöglichen. Langfristig eröffnet die kontextsensitive Sensorik damit nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern kann auch einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität und Resilienz urbaner und ländlicher Räume leisten.

Für die qualitative Analyse des Trends wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass bis Ende 2035 Thüringen führend bei der Entwicklung und Herstellung von kontext-sensitiver Sensorik für Produktion, Verkehr, Robotik und Energieversorgung ist. Im Februar 2025 wurden im Rahmen eines Expertenworkshops mithilfe des Futures Wheels mögliche zentrale Entwicklungspfade des Trends identifiziert und unter Einsatz der Visual Roadmap ein Zukunftspfad entwickelt, der beschreibt, wie ein für den Innovationsstandort Thüringen positiver Zielpunkt im Jahr 2035 erreicht werden kann.

Ergebnisse des Futures Wheels

Im Rahmen des Futures Wheels wurde mit der Annahme gearbeitet: „Im Jahr 2035 ist Thüringen führend bei der Entwicklung und Herstellung von kontext-sensitiver Sensorik für Produktion, Verkehr, Robotik und Energieversorgung.“ Ziel war es, auf Basis dieser Annahme den Möglichkeitsraum zukünftiger Entwicklungen systematisch zu erschließen. Dabei wurden vier zentrale Entwicklungspfade identifiziert, die unterschiedliche Potenziale und Herausforderungen für den Standort Thüringen aufzeigen.

Vom Sensor zur Lösung: Ein erster Entwicklungspfad, der im Rahmen des Futures Wheels zur Annahme identifiziert wurde, betrifft die Rolle Thüringens als Komplettanbieter im Bereich adaptiver Fertigungstechnik. Wenn der Freistaat bis 2035 führend in der Entwicklung und Herstellung kontext-sensitiver Sensorik wird, könnte daraus eine starke Spezialisierung auf integrierte, intelligente Fertigungssysteme hervorgehen. Infolgedessen würden Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette stärker vernetzt agieren und Synergien gezielt ausschöpfen – von Sensorik über Systemintegration bis hin zu automatisierten Produktionsprozessen. Mit dieser Dynamik einher gehen jedoch auch neue Herausforderungen. Besonders hervorzuheben ist das absehbare Entstehen eines verstärkten Wettbewerbs um industrielle Flächen und qualifizierte Fachkräfte innerhalb Thüringens. Die Attraktivität des Standorts könnte zwar zunehmen, würde aber zugleich die Notwendigkeit mit sich bringen, strategisch mit Ressourcen umzugehen, Flächen intelligent zu entwickeln und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu ergreifen, um den steigenden Fachkräftebedarf langfristig zu decken.

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Infrastrukturaufbau für sensorische Wertschöpfung: Ein zweiter Entwicklungspfad, der im Rahmen des Futures Wheels zur Annahme identifiziert wurde, betrifft den Aufbau leistungsstarker Infrastrukturen für datenbasierte Wertschöpfung. Wenn Thüringen bis 2035 eine führende Rolle in der kontext-sensitiven Sensorik einnimmt, könnte sich im Zuge dessen ein regionales Data Center mit großen Rechenkapazitäten herausbilden – als zentrale Instanz zur Verarbeitung, Analyse und Sicherung sensorischer Datenströme aus Produktion, Verkehr, Robotik und Energieversorgung. Eine solche Entwicklung würde nicht nur die technologische Souveränität stärken, sondern auch die unternehmensübergreifende Datenvernetzung fördern. Mit dem Ausbau datenintensiver Infrastrukturen wären jedoch substanzielle Folgewirkungen verbunden: Der Bedarf an bezahlbarer, nachhaltiger Energie und ausreichenden Wasserressourcen würde deutlich steigen sowohl für den Betrieb als auch für die Kühlung der Rechenzentren. Gleichzeitig würde die Bereitschaft von Unternehmen wachsen, Daten kooperativ zu teilen, um daraus neue Geschäftsmodelle, Services und Innovationsdynamiken zu generieren. Eine zentrale Herausforderung liegt dabei in der Neuausrichtung wirtschaftspolitischer Ansiedlungsstrategien: Der bisherige Fokus auf Logistikstandorte müsste erweitert werden – hin zur gezielten Entwicklung von Datenzentren als neuen strategischen Knotenpunkten der digitalen Infrastruktur.

Vernetzt entwickeln, gemeinsam wachsen: Ein dritter Entwicklungspfad, der im Rahmen des Futures Wheels identifiziert wurde, beleuchtet die potenziellen Auswirkungen auf Kooperationsstrukturen innerhalb der Thüringer Wirtschaft. Wenn der Freistaat eine führende Rolle in der Entwicklung kontext-sensitiver Sensorik einnimmt, könnten sich daraus neue, intensive Entwicklungspartnerschaften zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Start-ups und Großunternehmen ergeben. Die technologische Komplexität und Interdisziplinarität in den Anwendungsfeldern, etwa Produktion, Mobilität oder Energie, würde eine enge, komplementäre Zusammenarbeit entlang gemeinsamer Innovationspfade begünstigen. Im Ergebnis könnten sich diese Kooperationsnetzwerke zunehmend als wertschöpfende Cluster formieren, die operativ wie ein integriertes Unternehmen agieren, mit abgestimmten Entwicklungszielen, geteilten Infrastrukturen und koordiniertem Marktzugang. Solche Cluster würden nicht nur die regionale Innovationskraft stärken, sondern auch neue Governance- und Geschäftsmodelle erfordern, um Kooperation auf Augenhöhe zwischen Akteuren unterschiedlicher Größe und Reife zu ermöglichen. Thüringen könnte dadurch als Modellregion für agile, vernetzte Wertschöpfung an Bedeutung gewinnen.

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Thüringen als Teil des Ökosystems autonomer Mobilität: Ein vierter Entwicklungspfad, der im Rahmen des Futures Wheels identifiziert wurde, adressiert die Rolle Thüringens im globalen Innovationsgeschehen rund um autonome Mobilität. Wenn Thüringen bis 2035 führend in der Entwicklung kontext-sensitiver Sensorik ist, könnte sich daraus die Chance ergeben, als strategischer Partner in einem weltweiten Ökosystem für autonome Systeme wahrgenommen zu werden, insbesondere in den Bereichen Verkehr, Logistik und Robotik. Thüringische Akteure könnten sich durch technologische Exzellenz, Systemverständnis und Umsetzungskompetenz als internationale Thought-Leader etablieren. In der Folge wäre zu erwarten, dass sich Geschäftsmodelle bestehender Unternehmen transformieren: vom klassischen Produktanbieter hin zu System- und Softwareentwicklern, die datengetriebene Dienste und integrative Lösungen bereitstellen. Um eine solche Entwicklung gezielt zu fördern, könnten Reallabore als geschützte Erprobungsräume dienen, mit regulatorischem Freiraum, technologischer Infrastruktur und Zugang zu relevanten Partnern. Sie würden es ermöglichen, neue Mobilitätslösungen unter realen Bedingungen zu testen, Schnittstellen zu gestalten und Standards zu setzen, und somit die internationale Sichtbarkeit Thüringens nachhaltig stärken.

Ergebnisse der Visual Roadmap

Im Rahmen der qualitativen Auswertung der im Antizipationsworkshop erarbeiteten Visual Roadmap wurden vier Geschäftsmodellansätze identifiziert, die auf Basis technologischer Entwicklungen und konkreter Anwendungsfelder im Freistaat wirtschaftliches Potenzial entfalten könnten. Die Visual Roadmap zeigt den Zusammenhang zwischen (i) Anwendungen und Geschäftsmodellen, (ii) erforderlichen Technologien und (iii) gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die zur Erreichung eines für den Innovationsstandort positiven Zielpunkts erforderlich sind. Der Zeithorizont spannt sich von 2025 bis 2035.

Anwendungen und Geschäftsmodelle
Entwickelte Geschäftsmodelle:Produkte & Dienstleistungen:
AVT als Produkt
Ein tragfähiges Geschäftsmodell ergibt sich aus der industriellen Skalierung der Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT) für Sensoriksysteme. Durch gezielte Weiterentwicklung hinsichtlich Kosteneffizienz, Realzeitfähigkeit und Miniaturisierung kann AVT zu einer eigenständigen Produktlinie avancieren, die in einer Vielzahl von Anwendungsfeldern einsetzbar ist – etwa in der Umweltüberwachung, der Produktionsautomatisierung oder bei mobilen Sensorsystemen.Für Thüringer Anbieter entsteht die Möglichkeit, sich als Systemlieferant für modular aufgebaute AVT-Komponenten zu positionieren. Insbesondere OEM-nahe Anwendungen und die Integration in bestehende Maschineninfrastrukturen versprechen attraktive Absatzmärkte. Die Verknüpfung mit regionaler Softwareentwicklung für AVT-spezifische Schnittstellen stärkt zusätzlich die vertikale Wertschöpfung.
  • AVT (Kosteneffizienz, Realität, Geschwindigkeit)
  • Schnittstellenentwicklung für verschiedene Sensorprinzipien
  • Passende Software für AVT
  • Multisensorik skalierbar
Sensor-as-a-Service
Ein besonders dynamisches Geschäftsmodell entfaltet sich im Bereich nutzungsbasierter Sensorikdienste. Modular konfigurierbare Multisensorsysteme ermöglichen es, Sensorfunktionen flexibel als Service bereitzustellen – z. B. für temporäre Einsätze in der Forstwirtschaft, der Luftgütemessung oder im Verkehrsmonitoring.Kunden erhalten dabei Zugang zu Sensorik, Datenerhebung und Vorverarbeitung, ohne selbst proprietäre Hardware vorhalten zu müssen. Für Thüringer Akteure bietet dieses Modell das Potenzial, sich als Full-Service-Anbieter von Sensorik-on-Demand zu etablieren – ergänzt durch digitale Schnittstellen, DSGVO-konforme Datenbereitstellung und begleitende Analyseangebote.
  • Sensor-as-a-Service
  • Multisensorik skalierbar
  • Partikelmonitoring/Partikelzähler
  • HD-Karten (Kontrast)
  • Integriertes Umweltmonitoring
  • Monitoring kritischer Infrastruktur
  • Thüringen Cloud (DSGVO)
Prognose- und Assistenzsysteme
Aus der intelligenten Auswertung multimodaler Sensordaten entstehen skalierbare Geschäftsmodelle im Bereich vorausschauender Steuerung und Entscheidungsunterstützung. Sensorbasierte Assistenzsysteme ermöglichen bspw. frühzeitige Stauprognosen, Monitoring kritischer Infrastrukturen oder vorausschauende Wartungsprozesse (predictive maintenance). Diese Systeme kombinieren Sensordatenfusion, Echtzeitkommunikation und KI-gestützte Interpretationsmodelle. Für Thüringen ergeben sich damit Anwendungsfelder entlang der gesamten urbanen Infrastruktur, insbesondere in der Mobilität, im Verkehrsmanagement oder im Katastrophenschutz. Lokale Anbieter können hier als Integratoren zwischen Sensortechnologie, Software und Praxisanwendung auftreten.
  • Weitere Prognosefunktionen (Verkehr, Stau, Landwirtschaft, Forstwirtschaft)
  • Integration in bestehende Systeme
  • Assistenzsysteme bis Vollautomation
  • Thüringen Cloud (als Datenbasis)
Nachhaltige Sensorlösungen
Ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell ergibt sich im Bereich ökologisch verträglicher Sensorsysteme für temporäre Außeneinsätze. Biologisch abbaubare Sensoren, wie sie etwa am TITK (Thüringisches Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung) entwickelt werden, eröffnen neue Anwendungsperspektiven für Umwelt- und Agrarbereiche – etwa in der Bodenfeuchteüberwachung, Waldbrandprävention oder im biodiversitätsbezogenen Monitoring. Dieses Modell adressiert zugleich steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit und Stoffkreislauffähigkeit. Für Thüringer Unternehmen entsteht die Chance, mit innovativen Werkstoffen und Sensordesigns neue Nischenmärkte zu erschließen – sowohl im öffentlichen Auftrag als auch im wachstumsstarken Umwelttechnologiemarkt.
  • Nachhaltiger, biologisch abbaubarer Sensor
  • Ökologische Funktionswerkstoffe (TITK)
  • Integration in Sensorplattformen
  • Partikelmonitoring
  • Integriertes Umweltmonitoring
Rahmenbedingungen

Die Etablierung kontextsensitiver Sensorik als zukunftsweisender Technologiebereich erfordert mehr als technologische Innovationskraft. Entscheidend ist ein abgestimmtes Zusammenspiel von Bildung, Marktkenntnis, Regulierung und Ökosystementwicklung. Entlang des Entwicklungspfads lassen sich fünf zentrale Voraussetzungen identifizieren, die strategisch aufgebaut und nachhaltig gesichert werden müssen:

Fachkräfteentwicklung systematisch anstoßen: Der Aufbau eines spezialisierten Studiengangs Sensor Engineering markiert einen ersten strukturellen Schritt zur langfristigen Kompetenzsicherung. Darüber hinaus braucht es frühzeitig ansetzende Bildungsangebote, die technologische Themen bereits in Schule und Berufsorientierung verankern. Interdisziplinäre Qualifizierungsangebote an Hochschulen und Weiterbildungsinstitutionen sind notwendig, um die steigende Nachfrage nach Fachkräften in Entwicklung, Anwendung und Wartung sensorbasierter Systeme zu decken. Bedarfsorientierte Entwicklung durch Marktnähe sichern: Für die wirtschaftliche Skalierung sensorbasierter Lösungen ist es unerlässlich, technologische Entwicklungen eng an reale Bedarfe anzubinden. Systematische Marktanalysen und Consumer Insights liefern die Grundlage für marktgerechte Innovationen und priorisierte Entwicklungspfade. Besonders in domänenspezifischen Einsatzfeldern müssen Anwenderbedürfnisse frühzeitig identifiziert und in die Technologieentwicklung rückgekoppelt werden. Cybersicherheit und Regulatorik frühzeitig mitdenken: Mit der Vernetzung sensibler Sensoriksysteme steigen auch die Anforderungen an Sicherheit und Regulierung. Die konsequente Umsetzung bestehender Vorgaben, insbesondere der europäischen NIS-2-Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit, ist zentrale Voraussetzung für Vertrauen, Marktzugang und Investitionsbereitschaft. Sensoriklösungen müssen bereits in der Entwicklungsphase unter Berücksichtigung aktueller Sicherheitsstandards konzipiert werden, um spätere Anpassungskosten und regulatorische Hürden zu minimieren. Cybersicherheit wird damit zum integralen Teil technologischer Produktentwicklung. Interoperabilität als Grundvoraussetzung fördern: Damit Sensoriksysteme skalierbar und flexibel einsetzbar sind, bedarf es offener, standardisierter Schnittstellen. Der gezielte Einsatz von Open-Source-Technologien wie OPC UA schafft die notwendige technische Grundlage für systemübergreifende Kommunikation, sowohl in industriellen als auch in öffentlichen Infrastrukturen. Durch konsequente Schnittstellenakzeptanz wird eine technologische Fragmentierung vermieden. So entstehen durchgängige, modular anschlussfähige Systeme, die auch in heterogenen Datenumgebungen bestehen können. Innovationsökosysteme räumlich und strukturell stärken: Zur nachhaltigen Verankerung sensorbasierter Wertschöpfung ist ein gezielter Aufbau regionaler Ökosysteme erforderlich. Dies umfasst aktive Ansiedlungsstrategien für Sensorik- und Softwareunternehmen, idealerweise in räumlicher Nähe zu Hochschulen, Rechenzentren und Technologietransfereinrichtungen.

Technologien

Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung der antizipierten Geschäftsmodelle und dazu gehöriger Produkte und Dienstleistungen sind folgende technologische Voraussetzungen erforderlich:

Technologische VoraussetzungHerausforderungen
Sensorikvielfalt und Multisensoriksysteme
Ein zentrales Element technologischer Innovation liegt in der Kombination unterschiedlichster Sensorprinzipien: akustische, optische, radar- und multiphysikalische Sensoren bilden gemeinsam mit intelligenter Software zur Datenfusion die Grundlage für adaptive, kontextsensitive Sensorsysteme. Diese Systeme ermöglichen präzise Umgebungswahrnehmung in Mobilität, Infrastrukturüberwachung und Industrie 4.0.
Unterschiedliche Datenfrequenzen und -qualitäten, komplexe Synchronisation von Sensoren, Robustheit unter variierenden Umweltbedingungen.
Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT)
Die AVT bildet einen technologischen Kern zur Realisierung hochintegrierter Sensorsysteme. Sie ermöglicht die präzise Verbindung elektronischer und nichtelektronischer Komponenten – ein entscheidender Schritt zur Miniaturisierung und Leistungssteigerung von Sensorplattformen. AVT wird dabei nicht nur als Enabler betrachtet, sondern auch als potenzielles Produkt mit eigenem Marktwert.
Hohe initiale Entwicklungskosten, Echtzeitfähigkeit, thermische und mechanische Stabilität, Qualitätssicherung in Serienfertigung.
Systemintegration und Schnittstellenfähigkeit
Für die effiziente Integration kontextsensitiver Sensoriklösungen ist die Entwicklung anwendungsübergreifender Schnittstellen entscheidend. Die Heterogenität sensorischer Datenquellen erfordert technologische Lösungen zur Harmonisierung und Übertragbarkeit. Offenheit, Modularität und Standardisierung sind dabei wesentliche Prinzipien.
Herstellerübergreifende Interoperabilität, Kompatibilität mit Legacy-Systemen, Echtzeitdatenverfügbarkeit.

Wege in die Zukunft: Kontextsensitive Sensorik als Schlüsseltechnologie

Basierend auf diesem Möglichkeitsraum könnte Thüringen im Jahr 2035 mit Sensor-as-a-Service in verschiedenen Sektoren Geld verdienen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es von zentraler Bedeutung, Datenräume und Schnittstelleninfrastruktur zu schaffen und den Instituten und Unternehmen die erforderlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Zentrale Voraussetzung dafür ist ein massives Engagement internationaler Standardisierungsgremien.

Die Visual Roadmap zur kontextsensitiven Sensorik beschreibt, wie Thüringen durch gezielte Technologie- und Infrastrukturentwicklung seine Rolle als Kompetenzstandort für adaptive, skalierbare Sensorlösungen bis 2035 systematisch ausbauen kann. Ausgangspunkt ist die Weiterentwicklung und Kombination hochspezialisierter Sensoren, etwa Akustik, Radar oder optische Sensorik, die in multisensorische Systeme integriert werden. Ergänzt werden diese durch KI-basierte Softwarelösungen, die komplexe Umweltdaten, Bewegungsmuster oder Systemzustände in Echtzeit analysieren. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei das Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT) ein. Hierbei geht es um die Erfassung und Bewertung von Parametern wie Geschwindigkeit, Realitätsnähe und Kosten, um die Leistungsfähigkeit intelligenter Sensorsysteme praxistauglich zu validieren. Die Landesregierung sollte zur Unterstützung dieser Entwicklung prüfen, inwiefern in Thüringen Reallabore für autonome Mobilität eingerichtet werden können, die als Testumgebungen für kontext-sensitive Sensorik im Verkehr, in der Logistik und der Robotik dienen. Diese Labore sollten nicht nur als technologische Erprobungsräume fungieren, sondern auch als Plattformen für die Entwicklung und Implementierung von Standards und regulatorischen Rahmenbedingungen. Zudem könnte Thüringen als internationaler Partner für autonome Mobilität positioniert werden, indem es eine strategische Partnerschaft mit globalen Akteuren im Bereich der Mobilität und Technologie anstrebt.

Diese Systeme entfalten ihr Potenzial in einer Vielzahl von Anwendungsfeldern. Dazu gehören Echtzeitprognosen in Verkehr und Landwirtschaft, das Monitoring kritischer Infrastrukturen sowie Assistenzsysteme, die schrittweise bis zur Vollautomation führen. Auch im Bereich AVT entwickeln sich neue Lösungen für skalierbare Multisensorikplattformen, die anwendungsübergreifend eingesetzt werden können. Sensorik wird so zur zentralen Grundlage für nachhaltige und adaptive Systeme, etwa im Verkehrsmanagement, der digitalen Forstwirtschaft oder in umweltbezogenen Analysen. Dabei gewinnen auch ökologisch orientierte Sensorlösungen an Bedeutung, wie biologisch abbaubare Partikelsensoren oder selbstskalierende Überwachungssysteme.

Ein solches Innovationssystem benötigt eine leistungsfähige Daten- und Cloudinfrastruktur. Diese muss sowohl datensouverän als auch zugänglich sein. Die Roadmap verweist auf Vorhaben wie die Thüringen Cloud, die eine sichere, DSGVO-konforme Verarbeitung großer Datenmengen ermöglichen soll. Damit verbunden ist auch die Notwendigkeit offener Schnittstellenstandards, die eine flexible Anbindung verschiedener Sensorprinzipien erlauben. Neben der technischen Realisierung müssen auch gesellschaftliche Voraussetzungen geschaffen werden, insbesondere in Fragen der Datenhoheit, Transparenz automatisierter Entscheidungen und der Etablierung vertrauenswürdiger Systeme.

Zugleich ist ein systematischer Aufbau von Fach- und Ausbildungskompetenz erforderlich. Studiengänge wie Sensor Engineering, berufsbegleitende Weiterbildungsformate und gezielte Talentförderung sollen dazu beitragen, sowohl Fachkräfte als auch interdisziplinäre Projektteams langfristig zu sichern. Gleichzeitig ist eine stärkere Sichtbarkeit sensorbezogener Berufsbilder notwendig, ergänzt durch moderne Kommunikationsformate, um auch die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber kontextsensitiver Sensorik zu fördern.

Langfristig strebt Thüringen ein integriertes Sensorik-Ökosystem an, das ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Skalierbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz in Einklang bringt. AVT spielt dabei eine Schlüsselrolle als Brücke zwischen technologischem Fortschritt und realweltlicher Anwendung. Die Roadmap macht deutlich, dass kontextsensitive Sensorik weit über eine einzelne Technologie hinausgeht. Sie bildet die Grundlage für neue Geschäftsmodelle, datenbasierte Services und zukunftsorientierte Standortentwicklungen.

4.5 Intelligente Bildverarbeitung – als Grundlage für autonome, reaktive und lernfähige Systeme in dynamischen Umgebungen

Intelligente Bildverarbeitung nutzt fortschrittliche Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) und des maschinellen Lernens, um visuelle Daten in Echtzeit zu analysieren, zu interpretieren und darauf zu reagieren. Dabei geht es nicht mehr nur um reine Erfassung und Speicherung von Bildinformationen, sondern um die Entwicklung lernfähiger Systeme, die sich an wechselnde Umgebungen anpassen und kontinuierlich aus neuen Daten lernen können. Diese Systeme kombinieren hochauflösende Bildsensoren mit leistungsfähigen KI-Algorithmen und sind in der Lage, komplexe Aufgaben wie Gesichtserkennung, Bewegungsanalyse und Objekterkennung zu übernehmen.

Anwendung findet diese Technologie in der Automobilbranche, wo intelligente Bildverarbeitungssysteme autonome Navigation durch das präzise Erkennen von Hindernissen, Fußgängern oder Verkehrszeichen ermöglichen. In der industriellen Fertigung erhöht die intelligente Bildverarbeitung die Qualitätssicherung durch automatisierte Fehlererkennung auf Produktionslinien. In der Medizin unterstützt die intelligente Bildanalyse die Früherkennung von Krankheiten, bspw. durch die automatisierte Auswertung von MRT- oder Röntgenbildern. Darüber hinaus gewinnt diese Technologie auch in der Sicherheits- und Überwachungstechnik zunehmend an Bedeutung, etwa für biometrische Zugangskontrollen oder Verhaltensanalysen.

Herausforderungen bestehen vor allem bei der Integration und Verarbeitung großer Datenmengen, bei der Sicherstellung der Echtzeitfähigkeit der Systeme sowie bei der Anpassung an unterschiedliche Lichtverhältnisse und komplexe Umgebungen. Hinzu kommen rechtliche Fragen, insbesondere bei der Nutzung sensibler personenbezogener Daten (z. B. Gesichtserkennung in öffentlichen Räumen). Der Trend zur intelligenten Bildverarbeitung macht deutlich, dass nicht nur technische, sondern auch gesellschaftliche und rechtliche Fragen entscheidend für die Akzeptanz und den nachhaltigen Einsatz dieser Schlüsseltechnologie sind.

Für die qualitative Analyse des Trends wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass sich Thüringen zum Ende der 2020er Jahre zum Vorreiter im Feld der Intelligenten Bildverarbeitung in den Bereichen KI-gestützter Fertigung, Robotik und autonomer Mobilität entwickelt hat. Im Februar 2025 wurden im Rahmen eines Expertenworkshops mithilfe des Futures Wheels mögliche zentrale Entwicklungspfade des Trends identifiziert und unter Einsatz der Visual Roadmap ein Zukunftspfad entwickelt, der beschreibt, wie ein für den Innovationsstandort Thüringen positiver Zielpunkt im Jahr 2035 erreicht werden kann.

Ergebnisse des Futures Wheels

Im Rahmen des Futures Wheels wurde mit der Annahme gearbeitet: „Zum Ende der 2020er Jahre hat sich Thüringen zum Vorreiter im Feld der Intelligenten Bildverarbeitung in den Bereichen KI-gestützter Fertigung, Robotik und autonomer Mobilität entwickelt.“ Ziel war es, auf Basis dieser Annahme den Möglichkeitsraum zukünftiger Entwicklungen systematisch zu erschließen. Dabei wurden zwei zentrale Entwicklungspfade identifiziert, die unterschiedliche Potenziale und Herausforderungen für den Standort Thüringen aufzeigen.

Transfer mit Tempo: Der erste Entwicklungspfad, der im Rahmen des Futures Wheels zur Annahme identifiziert wurde, betrifft Thüringens potenzielle Rolle als Technologie- und Innovationstreiber im Bereich der Mensch-Technik-Interaktion. Wenn sich der Freistaat durch seine Pionierleistungen in der intelligenten Bildverarbeitung profiliert, könnte er maßgeblich zur Entwicklung von Standards und Leitlinien in der Schnittstelle zwischen Mensch und autonomer Technik beitragen, etwa in der Fertigung, Mobilität oder Robotik. Mit wachsender Sichtbarkeit Thüringens auf dem internationalen Innovationsradar würde zugleich auch der Wettbewerbsdruck steigen. Gleichzeitig könnten sich strategische Allianzen herausbilden, die sich gezielt auf anwendungsspezifische Kooperationen und neue Marktzugänge konzentrieren. Um diese Dynamiken zu unterstützen, sollte die thüringische Innovations- und Forschungsförderpolitik gezielt Rahmenbedingungen schaffen, die eine erhöhte Transfergeschwindigkeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ermöglichen. Dies beinhaltet sowohl den Aufbau eines offenen Innovationsraums als auch den Zugang zu starken Partnern aus Industrie und Forschung – national wie international. Ziel ist eine barrierearme, niedrigschwellige Vernetzung auf allen Ebenen, die die Rolle Thüringens als Motor für Mensch-Technik-Interaktion langfristig sichert und ausbaut.

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Innovationsimpulse durch gezielten Strukturwandel: in zweiter Entwicklungspfad aus diesem Futures Wheel beleuchtet die Möglichkeit, dass Thüringen seine Vorreiterrolle in der intelligenten Bildverarbeitung durch die gezielte Nutzung bestehender Wertschöpfungsketten und eines bereits etablierten Ökosystems relevanter Akteursgruppen weiter festigen kann. Die vorhandenen industriellen, wissenschaftlichen und institutionellen Strukturen bilden eine stabile Grundlage, auf der zukünftige Entwicklungen aufbauen können. Um jedoch den entscheidenden Impuls für langfristige Innovationskraft zu setzen, bedarf es zusätzlicher Strukturen, die den Transfer von Ideen, insbesondere aus der Grundlagenforschung, erleichtern und ihre Weiterverfolgung ermöglichen. Ein solcher Innovationsimpuls könnte durch niedrigschwellige Austauschformate, offene Innovationsplattformen oder gezielte Förderinstrumente für frühe Forschungsideen realisiert werden. Gleichzeitig könnte ein stärkerer Fokus auf die Ex-post-Evaluation in der Forschungsförderung helfen, erfolgreiche Ansätze sichtbar zu machen, zu skalieren und systematisch weiterzuentwickeln. Thüringen hätte damit die Chance, auf bestehende Stärken aufzubauen und diese durch gezielte Lückenfüllung in den Innovationsprozessen zu einem resilienten, lernenden Innovationssystem auszubauen.

Ergebnisse der Visual Roadmap

Im Rahmen der qualitativen Weiterentwicklung der im Futures Wheel gewonnenen Erkenntnisse zur Annahme einer thüringischen Vorreiterrolle im Feld der Intelligenten Bildverarbeitung wurden von den Experten fünf Geschäftsmodelle identifiziert, mit denen im Jahr 2035 voraussichtlich wirtschaftlicher Erfolg generiert werden kann. Die Visual Roadmap zeigt den Zusammenhang zwischen (i) Anwendungen und Geschäftsmodellen, (ii) erforderlichen Technologien und (iii) gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die zur Erreichung eines für den Innovationsstandort positiven Zielpunkts erforderlich sind. Der Zeithorizont spannt sich von 2025 bis 2035.

Anwendungen und Geschäftsmodelle
Entwickelte Geschäftsmodelle:Produkte & Dienstleistungen:
Data-Center & Rechenzentrum
Ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell liegt im Aufbau und Betrieb leistungsfähiger, regional verankerter Rechenzentren. Diese stellen die notwendige digitale Infrastruktur für datenintensive Anwendungen bereit, etwa für die KI-gestützte Kartengenerierung, das Training autonomer Systeme oder die Verarbeitung multimodaler Sensordaten in Mobilität, Gesundheit und Produktion. Rechenzentren ermöglichen eine souveräne, DSGVO-konforme Datenverarbeitung und sichern gleichzeitig Wertschöpfung vor Ort. Für Thüringen ergibt sich daraus die strategische Chance, digitale Souveränität zu stärken und eigene Datennetze als Basisinfrastruktur für zukünftige Geschäftsmodelle bereitzustellen.
  • Rechenleistung bereitstellen
  • Rechenleistungsanbieter
  • Digitalisierung von Modellen und Daten
  • Generierung von Karten für autonomes Fahren
  • Lernendes System für Karten-Generierung
  • Autonomes Fahrzeug auf Betriebsbedingungen trainiert
Plattformanbieter/Cloud-Anbieter
Ein skalierbares Geschäftsmodell ergibt sich aus der Rolle als Anbieter cloudbasierter Plattforminfrastrukturen für datenbasierte Dienste. Plattformanbieter koordinieren die Integration von Sensordaten, Steuerungssystemen und KI-Analytik und schaffen so die technische Grundlage für die sektorübergreifende Nutzung smarter Systeme. Die Plattformen agieren als intermediäre Struktur zwischen Datenquellen und Anwendern, bieten standardisierte Schnittstellen und ermöglichen eine modulare Erweiterung durch Software-Services. Für Thüringer Unternehmen ergibt sich damit die Möglichkeit, zentrale Schnittstellen im entstehenden Datenökosystem zu besetzen.
  • Logistikplattform
  • Software / Schnittstellen
  • Skills Training für KI für Mobilität
  • Sensoren / System-Software SDKs
  • Digitalisierung von Modellen und Daten
  • Cloud-Anbindung
Datenanbieter für KI-gestützte Fertigungsprozesse
Ein geschäftliches Potenzial liegt in der spezialisierten Bereitstellung industriell nutzbarer Datensätze zur Verbesserung KI-gestützter Fertigungsprozesse. Datenanbieter sammeln, strukturieren und pflegen produktionsrelevante Daten mit hoher Qualität und regulatorischer Sicherheit. Ihre Angebote zielen auf Unternehmen, die lernfähige Systeme, digitale Zwillinge oder adaptive Produktionsplanung einsetzen wollen. Diese Anbieter nehmen eine Schlüsselrolle in datengetriebenen Fertigungsökosystemen ein und ermöglichen es, datenbasierte Wertschöpfung auch in kleinen und mittleren Unternehmen zu etablieren.
  • Zustandserfassung und QS-Objekte
  • Digitalisierung von Modellen und Daten
  • Rechenleistungsanbieter
  • Sensoren / System-Software SDKs
  • Plattformanbieter / Cloud-Anbindung (als Infrastrukturebene)
Komplettlösungsanbieter im Bereich autonome Mobilität
Ein umfassendes Geschäftsmodell ergibt sich aus der Fähigkeit, vollständige Systemlösungen im Bereich autonomer Mobilität bereitzustellen. Komplettanbieter verknüpfen Sensorik, Software, Fahrzeugtechnik und Cloudinfrastruktur zu einsatzfähigen Mobilitätslösungen – etwa für ländliche Regionen, Logistikdienste oder kommunale Verkehrssteuerung. Durch Integration und Standardisierung schaffen sie marktfähige Angebote, die komplexe Technologien für Anwender zugänglich machen. Thüringer Anbieter könnten sich damit als Systemintegratoren in einem wachsenden Mobilitätssegment profilieren.
  • Mobility-as-a-Service mit autonomen Fahrzeugen (im ländlichen Raum)
  • Autonomes Fahrzeug auf Betriebsbedingungen trainiert
  • Drohnen / (Flug-) + zeitkritische Logistik
  • Modellstädte (Smart City)
  • Telemedizin-Terminal
  • Vernetzung Anbieter für komplexe Fragestellungen
Thüringen als Komplettanbieter für adaptive Fertigungstechnologien
Ein strategisches Geschäftsmodell ergibt sich durch die Positionierung Thüringens als Standort für adaptive Fertigungstechnologien mit hoher Modularität. Im Zentrum stehen skalierbare Sensorsysteme, intelligente AVT-Verfahren und flexible Softwarelösungen, die eine dynamische Anpassung an wechselnde Fertigungsbedingungen erlauben. Die Kombination aus Hardwareintelligenz, Schnittstellenstandardisierung und KI-gestützter Steuerung eröffnet insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen Zugang zu innovativen Automatisierungslösungen. Thüringen könnte hier als Gesamtsystemanbieter entlang der digitalen Fertigungskette sichtbar werden.
  • Zustandserfassung und QS-Objekte
  • Sensoren / System Software SDKs
  • Digitalisierung von Modellen und Daten
  • Intelligente Hardware / Maschinen → Sensorisch-intelligent
  • Rechenleistungsanbieter
Rahmenbedingungen

Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung der antizipierten Geschäftsmodelle sowie der dazugehörigen Technologien, Produkte und Dienstleistungen sind grundlegende strukturelle und strategische Voraussetzungen erforderlich:

Infrastrukturaufbau und Sichtbarkeit: Zur Stärkung der regionalen Innovationsfähigkeit sind gezielte Investitionen in leistungsfähige Infrastruktur erforderlich. Der Bau eines Rechenzentrums in Thüringen wird als kritische Voraussetzung für datenintensive Anwendungen benannt. Flankierend sind Sensibilisierungsmaßnahmen notwendig, um die Sichtbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz eines solchen Rechenzentrums zu erhöhen. Der Zugang zu Rechenleistung wird somit als systemrelevanter Baustein für datengetriebene Geschäftsmodelle etabliert. Technologietransfer und Hochschulvernetzung: Der Technologietransfer aus Hochschulen in wirtschaftliche Anwendungsfelder spielt eine zentrale Rolle für die Marktdurchdringung neuer Sensoriklösungen. Die ZLV (Zentrale Landesverteilerstelle) der Hochschulen bildet hierfür eine institutionelle Schnittstelle. Transfer- und Gründerzentren sollen gezielt ausgebaut werden, um Ausgründungen, Kooperationen mit KMU und frühe Produktentwicklungen zu fördern. Innovationskultur und regulatorisches Experimentieren: Zur Erprobung sensorikbasierter Technologien und ihrer Systemintegration bedarf es flexibler Testumgebungen. Die Etablierung von Reallaboren, ermöglicht durch geeignete Experimentierklauseln, schafft Freiräume für technische Erprobung, partizipative Entwicklungsprozesse und regulatorische Annäherung. Thüringen kann hier durch modellhafte Pilotprojekte eine Vorreiterrolle einnehmen und zugleich Standards mitentwickeln. Clusterorientierte Wertschöpfung: Die Bildung und Weiterentwicklung wertschöpfender Cluster wird als Schlüssel zur nachhaltigen Regionalentwicklung verstanden. Durch den gezielten Aufbau regionaler Netzwerke zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Gründungsakteuren entstehen robuste Innovationsökosysteme, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sichern und neue Märkte erschließen helfen.

Technologien

Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung der antizipierten Geschäftsmodelle und dazu gehöriger Produkte und Dienstleistungen sind folgende technologische Voraussetzungen erforderlich:

Technologische VoraussetzungHerausforderungen
Multispektrale Sensorik und multimodale Bildgebung
Ein zentrales Technologiefeld liegt in der Entwicklung multispektraler Sensoren (VIS–IR) sowie multimodaler Bildgebungssysteme, die Daten aus unterschiedlichen Quellen – optisch, thermisch oder radarbasiert – kombinieren. In Verbindung mit intelligenter Beleuchtung und multimodaler Datenauswertung entstehen Systeme mit hoher Präzision und breitem Anwendungsspektrum.
Kalibrierung heterogener Sensorquellen, Echtzeitverarbeitung großer Datenmengen, Synchronisation visueller und nicht visueller Informationskanäle.
Edge-Computing und dezentrale Rechenarchitekturen
Für datenintensive Anwendungen – etwa bei autonomen Systemen oder Echtzeitüberwachung – sind leistungsfähige Hochleistungschips an der Netzperipherie erforderlich. Sie ermöglichen lokale Datenverarbeitung mit geringer Latenz.
Energieeffizienz unter Volllast, thermische Stabilität, Integration in Miniatur-Hardware.
KI-gestützte Steuerung und Navigation
Die Kombination von KI-Werkzeugen mit präziser Navigation (Sensordatenfusion) bildet das Rückgrat adaptiver Systeme in Mobilität, Produktion und Logistik. Expertensysteme, die auf Sensordaten zugreifen, treffen Entscheidungen in komplexen, dynamischen Umgebungen.
Interpretierbarkeit von KI-Entscheidungen, Datenqualität aus heterogenen Quellen, Latenzzeiten bei der Entscheidungsfindung.
Kommunikationstechnologien und Konnektivität
Für die sichere und latenzarme Übertragung sensorischer und maschineller Daten ist eine robuste Konnektivitätsinfrastruktur erforderlich. Insbesondere bei Mobilitätsanwendungen oder verteilten Sensorsystemen sind skalierbare Kommunikationslösungen zentral.
Netzstabilität bei hoher Auslastung, Schutz vor Zugriff Dritter, Interoperabilität zwischen Systemkomponenten.
Data-Center und digitale Infrastruktur für Rechenleistung
Rechenintensive Sensoriksysteme benötigen lokal verankerte Data-Center mit hoher Speicherkapazität und performanter Infrastruktur. Sie dienen nicht nur der Datenverarbeitung, sondern auch als Sicherheitsanker für sensible Informationen.
Nachhaltiger Energieeinsatz, hohe Verfügbarkeit, Datenschutzkonformität.

Wege in die Zukunft: Vom Innovationsraum zum Komplettanbieter adaptiver Technologien

Basierend auf diesem Möglichkeitsraum könnte Thüringen im Jahr 2035 das Land der digitalen Hidden Champions 2.0 werden und sich als Komplettanbieter für adaptive Fertigungstechnologie positionieren, bspw. mit adaptiven Robotern für diverse Einsatzgebiete. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es von zentraler Bedeutung Forschungsräume zur Verfügung zu stellen und neue Innovationszyklen zu unterstützen. Ausgangspunkt ist die konsequente Weiterentwicklung bildverarbeitender Technologien: Von multispektralen Sensorsystemen über hochintegrierte Edge-Chips bis hin zu KI-basierten Bildgebungs-, Navigations- und Steuerungssystemen entstehen neue Basistechnologien, die in vielfältige Anwendungen überführt werden. Besonders hervorzuheben ist dabei die sensorbasierte Echtzeitanalyse in Mobilitäts-, Logistik- und Instandhaltungskontexten sowie die Entwicklung lernender Systeme für Kartengenerierung und Zustandsüberwachung.

Diese Technologien münden in konkrete Produkte und Dienste: etwa in Form von Sensor-/Software-Kits für Mobilitätsanwendungen, Trainingssystemen für KI-Nutzung oder umfassenden Mobility-as-a-Service-Lösungen. Anwendungen reichen von autonomen Fahrzeugen über landwirtschaftliche und medizinische Robotik bis hin zu digitalen Zwillingen für städtische Infrastruktur. Dabei bilden Rechenzentren und datenintensive Plattformen das Rückgrat für diese Innovationen, sowohl in der Forschung als auch in der operativen Skalierung. Zur Realisierung dieses Potenzials sollte das zuvor empfohlene Trusted Data Center nicht nur als zentrale Infrastruktur im Gesundheitswesen, sondern auch als kritische Komponente für die Umsetzung der Vision Thüringens als „Land der digitalen Hidden Champions 2.0“ fungieren. Dieses Zentrum könnte insbesondere durch seine Expertise im sicheren Umgang mit sensiblen und hochkomplexen Daten eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von adaptiven Fertigungstechnologien spielen. Die Plattform sollte Daten aus verschiedenen Industrien, wie etwa der Mobilitäts- und Logistikbranche, verarbeiten und für die Weiterentwicklung von KI-gestützten Bildverarbeitungs-, Navigations- und Steuerungssystemen zur Verfügung stellen. Dabei könnte das Data Center als interdisziplinäre Drehscheibe fungieren, die den sicheren Austausch und die Nutzung von Daten aus verschiedenen Sektoren ermöglicht – von der autonomen Fahrzeugtechnik über die digitale Landwirtschaft bis hin zu robotergestützten Wartungs- und Instandhaltungsprozessen. Durch den Einsatz fortschrittlicher Anonymisierungstechnologien und datenschutzkonformer Verfahren würde das Zentrum nicht nur zur Entwicklung von neuen Technologien beitragen, sondern auch das Vertrauen in datenintensive, KI-gesteuerte Innovationen stärken. In Kombination mit hochentwickelten Rechenkapazitäten könnte es Thüringen ermöglichen, nicht nur als Anbieter von adaptiver Fertigungstechnologie zu wachsen, sondern auch als Vorreiter in der sicheren und effektiven Nutzung von Daten in zukunftsweisenden Branchen.

Zur Realisierung dieses Potenzials braucht es gezielte strukturelle Maßnahmen. Die Etablierung von Testfeldern, Reallaboren, Cloud-Plattformen und Plattformanbietern ist notwendig. Relevante Cluster, Hochschulen und Technologieträger müssen durch koordinierte Förderinstrumente verbunden und gestärkt werden. Die Entwicklung leistungsfähiger Rechenzentren, abgestimmt auf datenintensive Zukunftstechnologien, ist ein zentraler Baustein.

Langfristig kann Thüringen so seine Position als integrativer Akteur im globalen Innovationsraum autonomer Systeme sichern. Durch die Kombination aus Forschungsexzellenz, infrastruktureller Weitsicht und strategischer Standortpolitik wird es möglich, als Komplettanbieter für adaptive Fertigung und autonome Mobilität aufzutreten. Insbesondere die Fähigkeit, Produkte, Daten-Services und Anwendungen zu verzahnen, wird Thüringens Rolle im Markt differenzieren.

Diese Roadmap macht deutlich: Intelligente Bildverarbeitung ist weit mehr als ein technologisches Feld – sie ist ein strategisches Handlungsfeld für die Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten, gesellschaftlicher Anwendungen und industriepolitischer Positionierung. Voraussetzung dafür ist jedoch ein bewusst orchestrierter Strukturwandel entlang von Technologie, Transfer, Infrastruktur und Governance.

4.6 Quantenbasierte und neuromorphe Technologien – als radikal neue Ansätze für Rechenleistung und Sensordesign, mit disruptivem Potenzial für eine Vielzahl von Anwendungsfeldern

Quantenbasierte und neuromorphe Technologien können hochpräzise und zugleich energieeffiziente Sensoren sowie neuartige Hardware für zukünftige Computersysteme hervorbringen. Sie vereinen modernste Prinzipien der Quantenmechanik und Spintronik bzw. neuronaler Netzwerke. Ziel ist es, neue Dimensionen in der Rechenleistung, im Sensordesign und in der Datenanalyse zu erschließen. Diese Technologien nutzen quantenmechanische Effekte oder – im Falle neuromorpher Chips – neuronale Strukturen, um Messungen auf Nanometerskala zu ermöglichen und dabei das Potenzial für radikale Leistungssteigerungen auszuschöpfen. In Thüringen treffen diese Entwicklungen auf ein starkes Ökosystem von Optik- und Photonikunternehmen, auf international renommierte Forschungseinrichtungen sowie auf eine innovationsfreundliche Netzwerkstruktur, die einen fruchtbaren Boden für diese zukunftsweisenden Ansätze bieten könnten.

Der Stand der Forschung zeigt bereits vielversprechende Beispiele. So ermöglicht der Diamant-Quantensensoren für hochsensitive NMR-Spektroskopie die präzise Analyse von Stoffwechselprozessen auf Molekülebene, während spintronische Sensoren Magnetfelder im Femtotesla-Bereich detektieren können. Supraleitende Josephson-Neuronen dienen als Grundlage für energieeffiziente neuromorphe Datenverarbeitung, und 2D-Materialien wie Graphen steigern die Leistungsfähigkeit elektronischer Bauelemente. Diese Technologien bilden die Grundlage für disruptive Innovationssprünge in verschiedensten Anwendungsfeldern.

Mit Blick auf die Chancen bieten sowohl quantenbasierte als auch neuromorphe Technologien ein großes Potenzial für die Entstehung neuer Wertschöpfungsketten und die Entwicklung völlig neuartiger Produkte und Dienstleistungen. Durch die Integration dieser Technologien könnten Thüringer Unternehmen neue Märkte erschließen und sich als Hightech-Anbieter im internationalen Wettbewerb positionieren. Die enge Verzahnung von Spitzenforschung und Industrie eröffnet auch Chancen für innovative Gründungen, insbesondere im KMU- und Start-up-Bereich, während gleichzeitig der Ausbau wissenschaftlicher Exzellenz den Standort für Fachkräfte weltweit sichtbar und attraktiv macht. Nicht zuletzt versprechen quantenbasierte Sensorsysteme auch neue Anwendungen im Umwelt- und Ressourcenschutz, bspw. für präzisere Umweltmonitoring-Lösungen.

Für die qualitative Analyse des Trends wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass Thüringen mit Expertise in Supraleitungen und QPiC zur Entwicklung der nächsten Computergeneration beiträgt und sich als Zentrum der Quanten-Sensorik in den 2030er Jahren etabliert. Im Februar 2025 wurden im Rahmen eines Expertenworkshops mithilfe des Futures Wheels mögliche zentrale Entwicklungspfade des Trends identifiziert und unter Einsatz der Visual Roadmap ein Zukunftspfad entwickelt, der beschreibt, wie ein für den Innovationsstandort Thüringen positiver Zielpunkt im Jahr 2035 erreicht werden kann.

Ergebnisse des Futures Wheels

Im Rahmen des Futures Wheels wurde mit der Annahme gearbeitet: „Thüringen trägt mit Expertise in Supraleitungen und QPiC zur Entwicklung der nächsten Computergeneration bei und etabliert sich als Zentrum der Quanten-Sensorik in den 2030er Jahren.“ Ziel war es, auf Basis dieser Annahme den Möglichkeitsraum zukünftiger Entwicklungen systematisch zu erschließen. Dabei wurden vier zentrale Entwicklungspfade identifiziert, die unterschiedliche Potenziale und Herausforderungen für den Standort Thüringen aufzeigen. Diese vier Entwicklungspfade machen deutlich: Die Quantentechnologie bietet Thüringen nicht nur technologisches, sondern auch wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Transformationspotenzial, vorausgesetzt, die strukturellen Voraussetzungen werden jetzt strategisch gestaltet.

Thüringen als Impulsgeber für quantengestützte Diagnostik: Ein erster Entwicklungspfad, der im Rahmen des Futures Wheels identifiziert wurde, beschreibt das Potenzial Thüringens, sich im Zuge der Fortschritte als Zentrum für moderne medizinische Diagnostik zu etablieren. Wenn neuartige, auf Quantentechnologien basierende Diagnoseverfahren entwickelt und in Thüringen zur Anwendung gebracht werden, könnte sich daraus eine hochspezialisierte und international sichtbare Diagnostiklandschaft entwickeln – mit Auswirkungen auf Gesundheitswirtschaft, Medizintechnik und Forschung. Damit dieser Entwicklungspfad realisiert werden kann, ergeben sich zwei zentrale Anforderungen: Zum einen müssten Zulassungsstellen reformiert und für die regulatorische Bewertung disruptiver Quantentechnologien vorbereitet werden. Zum anderen wäre dem absehbaren Fachkräftebedarf gezielt zu begegnen. Dies erfordert eine frühzeitige und breit angelegte Ausrichtung der Bildungswege – mit dem Ziel, junge Menschen für Quantenmedizin und Hightech-Diagnostik zu begeistern und entsprechend auszubilden. Der entscheidende Hebel dabei ist eine starke und exzellenzorientierte Wissenschaftslandschaft, die diesen Transformationspfad kontinuierlich vorantreibt und sichtbar macht.

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Neue Perspektiven für Hightech-Gründungen: Ein zweiter Entwicklungspfad im Rahmen des Futures Wheels beschreibt die Möglichkeit, dass sich infolge der technologischen Fortschritte vermehrt Komponentenanbieter für Quanten- und neuromorphe Systeme in Thüringen ansiedeln. Die entstehende Nachfrage nach spezialisierten Hardware- und Systemlösungen könnte Thüringen zu einem attraktiven Standort für spezialisierte Zulieferer machen, insbesondere im Bereich Präzisionstechnologien, optische Systeme und spezifische Infrastruktur. Allerdings könnten sich dieser Entwicklung auch strukturelle Hindernisse in den Weg stellen: Der Mangel an finanziellen Ressourcen, verfügbaren Flächen sowie qualifizierten Fachkräften stellt eine reale Herausforderung dar. Um solche Unternehmen langfristig zu binden oder gezielt anzusiedeln, wären Veränderungen in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen erforderlich. Insbesondere müssten Transfer- und Gründungsprozesse vereinfacht und beschleunigt werden. Ein entscheidender Hebel ist dabei der konsequente Abbau bürokratischer Hürden – sowohl für junge Start-ups als auch für technologieorientierte Mittelständler, die sich in einem hochdynamischen Innovationsfeld bewegen.

Algorithmen, Ethik und Standards aus Thüringen: Ein dritter Entwicklungspfad im Rahmen des Futures Wheels bezieht sich auf die algorithmische und systemische Weiterentwicklung im Umfeld quantentechnologischer Anwendungen. Wenn Thüringen seine führende Rolle in der Quanten-Sensorik weiter ausbaut, würde dies unweigerlich zur Entwicklung neuartiger Algorithmen und Systemarchitekturen führen – bspw. zur Datenverarbeitung, Signalinterpretation oder Steuerung autonomer Systeme. Auch wenn diese Entwicklungsarbeiten weniger ortsgebunden sind als etwa Hardwareproduktion, eröffnet sich für Thüringen die Chance, als Standort für spezialisierte IT-Dienstleistungen rund um quantenbasierte Systeme sichtbar zu werden. Darüber hinaus könnten in Thüringen zentrale Beiträge zur Bearbeitung ethischer, regulatorischer und normativer Fragestellungen geleistet werden. Die Etablierung interdisziplinärer Kompetenzzentren zur Entwicklung von Standards, Governance-Modellen und ethischen Leitlinien würde nicht nur die technologische Verantwortung mitgestalten, sondern auch zur internationalen Positionierung des Standorts beitragen. Thüringen könnte sich damit als Referenzregion für verantwortungsvolle Digitalisierung und technologische Rahmensetzung im Kontext der Quantentechnologie profilieren.

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Exportregion im Aufbau: Ein vierter Entwicklungspfad des Futures Wheels zeigt auf, dass Thüringen im Zuge seiner Positionierung als Zentrum der Quanten-Sensorik das Potenzial hätte, vielfältige neue Wirtschaftsstränge zu entwickeln. Die breite Anwendbarkeit quantentechnologischer Komponenten und Verfahren, etwa in der Medizintechnik, Umweltüberwachung, Automatisierung oder Sicherheit – würde es ermöglichen, innovative Produkte und Lösungen in zahlreichen Märkten zu platzieren. Thüringen könnte sich somit zu einem bedeutenden Exportstandort entwickeln, der international nachgefragte Hochtechnologie bereitstellt. Mit dieser dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung wären jedoch auch Risiken verbunden. Es ist denkbar, dass es zu einer Verdrängung klassischer Strukturen kommt und sich Rivalitäten um knappe Ressourcen wie Fachkräfte, Flächen und öffentliche Investitionsmittel verschärfen. Um diesen Spannungen vorzubeugen, sollte die aktive Verzahnung von Akteuren über Branchen-, Cluster- und Institutionengrenzen hinweg gefördert werden. Gleichzeitig bedarf es wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die ein innovationsfreundliches Klima stärken: Dazu zählen eine gelebte Willkommenskultur, ein konsequenter Abbau bürokratischer Hürden sowie der Ausbau leistungsfähiger Infrastrukturen, um Wachstum nachhaltig und inklusiv zu gestalten.

Ergebnisse der Visual Roadmap

Im Rahmen der qualitativen Weiterentwicklung der im Futures Wheel gewonnenen Erkenntnisse zur Annahme eines relevanten Beitrags Thüringens zur Weiterentwicklung der Quantentechnologie wurden von den Experten fünf Geschäftsmodelle identifiziert, mit denen im Jahr 2035 voraussichtlich wirtschaftlicher Erfolg generiert werden kann. Die Visual Roadmap zeigt den Zusammenhang zwischen (i) Anwendungen und Geschäftsmodellen, (ii) erforderlichen Technologien und (iii) gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die zur Erreichung eines für den Innovationsstandort positiven Zielpunkts erforderlich sind. Der Zeithorizont spannt sich von 2025 bis 2035.

Anwendungen und Geschäftsmodelle
Entwickelte Geschäftsmodelle:Produkte & Dienstleistungen:
Quantencomputer-Rechenzentrum-as-a-Service
Ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell ergibt sich durch den Aufbau und Betrieb eines spezialisierten Quantencomputer-Rechenzentrums, das als As-a-Service-Modell betrieben wird. Es ermöglicht Forschungseinrichtungen, Start-ups und Unternehmen einen niederschwelligen Zugang zu quantenbasierter Rechenleistung, ohne eigene Hardware vorhalten zu müssen. Über standardisierte Schnittstellen kann die Rechenkapazität flexibel für verschiedenste Anwendungsbereiche genutzt werden, etwa Materialsimulation, Optimierungsaufgaben oder KI-gestützte Datenanalytik. Für Thüringen entsteht damit die Chance, sich als Standort für digitale Souveränität und hochspezialisierte Recheninfrastruktur zu positionieren.
  • Neue Designmodelle für Chips, Mikroelektronik und Steuerung
  • Entwicklung und Foundry für Q-Technologien
  • Halbleiterfertigung
  • Laser, Optik und Modulatoren für Quantentechnologien
  • OEM-Systemintegration
  • PICs: Verkaufen, Entwicklung und Herstellung
  • Lohnfertigung
Materialanalytik-as-a-Service
Ein skalierbares Geschäftsmodell liegt in der Bereitstellung hochpräziser Materialanalytik als Dienstleistung. Durch den Einsatz quantensensitiver Sensoriksysteme können chemische und physikalische Eigenschaften von Werkstoffen mit höchster Genauigkeit analysiert werden. Dies eröffnet neue Möglichkeiten in der Qualitätskontrolle, Umweltanalytik und medizinischen Diagnostik. Besonders für KMU entsteht ein Mehrwert durch den Zugang zu hochspezialisierten Analysekapazitäten, ohne eigene Labore aufbauen zu müssen. Thüringer Anbieter können sich hier als verlässliche Partner für produktionsbegleitende Analytik und Innovationsprojekte etablieren.
  • Integrierte Prozesskette von der Mikrofabrikation bis zur Ko-Integration
  • Materialanalyse in Verbindung mit Halbleiter- und Lasertechnologien
  • Zugriff auf OEM-Systemintegration und Entwicklungspakete
  • QPICSs (€) als Ergebnisstruktur
Quantenbasierte Sensoriklösungen für spezialisierte Märkte
Ein wachstumsstarkes Geschäftsmodell ergibt sich aus der Entwicklung und Vermarktung von quantenbasierten Sensorlösungen für spezifische industrielle und gesellschaftliche Anwendungsfelder. Diese umfassen etwa Sensorsysteme für die medizinische Diagnostik, Umweltüberwachung, Materialanalyse oder Instandhaltung komplexer Anlagen. Durch die Kombination von Messpräzision und Miniaturisierung adressieren solche Lösungen besonders Märkte mit hohen regulatorischen Anforderungen oder extremen Umweltbedingungen.
  • Quantensensoren für H&E
  • Q-Sensoren für medizinische Diagnostik
  • Umwelt-Sensorik
  • Materialanalyse und Wasseranalyse mit Q-Technologie
  • Q-Sensoren für Instandhaltungszwecke
  • Quantenplattformen für Maschinen- und Anlagenbau sowie spezifische OEM-Schnittstellen
Rahmenbedingungen

Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung der antizipierten quantentechnologischen Geschäftsmodelle sowie der zugrunde liegenden Anwendungen und Technologien sind grundlegende strukturelle und strategische Voraussetzungen erforderlich: Kooperation mit Großunternehmen und Aufbau gemeinsamer Innovationsstrukturen: Ein zukunftsgerichtetes Innovationssystem im Bereich Quantentechnologien setzt auf belastbare Partnerschaften mit größeren Unternehmen. Joined-Labs mit industriellen Leitakteuren können den Transfer aus der Forschung in die Anwendung erheblich beschleunigen. Dabei sind großunternehmerische Beteiligungen nicht nur für die Skalierung, sondern auch für die anschlussfähige Standardisierung und industrielle Implementierung unerlässlich. Innovationsförderung muss gezielt auch auf solche Allianzen ausgerichtet sein, um Wirkung zu entfalten. Bildung, Fachkräfteentwicklung und Sensibilisierung: Für die langfristige Innovationsfähigkeit ist ein qualifiziertes Fachkräfteangebot entscheidend. Hierzu braucht es Bildungs- und Weiterbildungsinitiativen, die gezielt Schule und Hochschule einbeziehen und auf die spezifischen Anforderungen der Quantentechnologien ausgerichtet sind. Frühzeitige Orientierung, technologische Grundbildung und praxisnahe Ausbildungsformate sind erforderlich, um die kommende Generation von Spezialistinnen und Spezialisten zu sichern. Forschungsinfrastruktur und Technologietransferzentren: Eine tragfähige Forschungs- und Entwicklungstätigkeit erfordert spezialisierte Infrastruktur. Dazu zählen Messmittel, Reinräume und hochpräzise Laborumgebungen. Um diese Ressourcen effizient zu nutzen, sollten zentrale Infrastrukturen für F&E etabliert und durch ein Innovations-Start-up-Zentrum ergänzt werden. Dieses übernimmt Funktionen der Orientierung, des Transfers sowie der gezielten Förderung technologiegetriebener Unternehmensgründungen. Nutzung bestehender Infrastrukturen durch Start-ups und KMU: Start-ups im Bereich Quanten- und Sensortechnologien benötigen Zugang zu hochspezialisierter Infrastruktur, ohne diese selbst bereitstellen zu müssen. Die Vermietung vorhandener Reinräume und Fertigungsanlagen an junge Unternehmen schafft eine wirtschaftlich tragfähige Brücke zwischen Forschung und Produktion. Gleichzeitig entstehen so frühzeitige Anwendungsräume für technologische Reifegrade. Systematische Vernetzung von Anwendern und Akteuren. Der Transfer von Quanteninnovationen in industrielle Wertschöpfungsketten erfordert ein starkes, interdisziplinäres Netzwerk. Die gezielte Vernetzung von Anwendern, Technologieträgern und Forschungseinrichtungen ermöglicht den kontinuierlichen Austausch über Bedarfe, Machbarkeit und Skalierbarkeit. Begleitend dazu sollte ein dediziertes Science- und Technologieforum für Quantentechnologien etabliert werden, das als Dialogplattform für Unternehmen, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik dient.

Technologien

Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung der antizipierten Geschäftsmodelle und dazu gehöriger Produkte und Dienstleistungen sind folgende technologische Voraussetzungen erforderlich:

Technologische VoraussetzungHerausforderungen
Materialanalytik und Miniaturisierung von Systemkomponenten
Für hochspezialisierte Anwendungen in der Quanten- und Hochpräzisionstechnologie sind leistungsfähige Verfahren zur Materialanalytik erforderlich. Diese ermöglichen die detaillierte Charakterisierung neuer Werkstoffe sowie die Absicherung reproduzierbarer Materialeigenschaften im Herstellungsprozess. Parallel dazu erlaubt die Miniaturisierung von System- und Subsystemkomponenten eine Integration in kompakte, energieeffiziente Plattformen.
Erfassung von Materialverhalten auf Nanoebene, Analyse bei extremen Umgebungsbedingungen, Kompatibilität mit weiteren Fertigungsprozessen.
Halbleitertechnologie und Mikrofabrikation
Die Weiterentwicklung der Halbleitertechnologie stellt eine zentrale Grundlage für die Skalierung neuer Quantensysteme dar. In Kombination mit fortgeschrittener Mikrofabrikation können präzise Bauelemente für integrierte Quantenplattformen realisiert werden.
Reinraumproduktion mit hohen Qualitätsstandards, thermische Stabilität, Kompatibilität mit Photonik und Elektronik.
Neue photonische Materialien und Substratherstellung
Die Entwicklung neuartiger photonischer Materialien ermöglicht den gezielten Aufbau von Chipsystemen mit erweiterter Funktionalität, insbesondere für Lichtsteuerung, Modulation und Erkennung. Die dazugehörige Substratherstellung ist essenziell, um kontrollierte Wachstumsprozesse, mechanische Stabilität und Integrierbarkeit sicherzustellen.
Reproduzierbarkeit der Materialeigenschaften, hohe optische Qualität, thermische Leitfähigkeit.
2D-Materialien und supraleitende Materialien
Innovative 2D-Materialien wie Graphen sowie supraleitende Werkstoffe erschließen neue Anwendungsfelder für verlustfreie Signalübertragung, Sensorik und Quantenspeicher. Diese Materialien sind insbesondere für energieeffiziente Komponenten und neue Schaltprinzipien relevant.
Prozessstabilität in der Fertigung, Integration in bestehende Architekturen, langfristige Materialverfügbarkeit.
Lithiumniobat-Technologie für Autonomieanwendungen
Lithiumniobat-Technologie für Autonomieanwendungen Lithiumniobat zählt zu den Schlüsselmaterialien für modulare Quantenbauelemente und optische Signalverarbeitung. Durch hohe Modulationseffizienz eignet sich das Material für Anwendungen in autonomen Systemen.
kontrollierte Dotierung, Integration mit photonischen Plattformen, industrielle Skalierbarkeit.
Integrierte diffraktive Chipsysteme
Durch diffraktive Elemente lassen sich komplexe Lichtmanipulationen auf kompaktem Raum realisieren. Integrierte Chipsysteme mit solchen Funktionalitäten sind essenziell für Quantenkomponenten in Kommunikation und Sensorik.
Präzisionsfertigung, thermische Stabilität, Alignment komplexer optischer Pfade.
Neuromorphe Materialien und Technologien
Für zukünftige KI-basierte und sensorisch dichte Systeme sind neuromorphe Materialien von zentraler Bedeutung. Sie erlauben die Nachbildung neuronaler Informationsverarbeitung auf Materialebene und eröffnen neue Wege in der Hardware-nahen KI-Entwicklung.
Materialzuverlässigkeit unter Dauerbelastung, Interoperabilität mit klassischer Elektronik, limitierte Produktionsverfahren.

Wege in die Zukunft: Quanten-Sensorik als industrieller Hebel

Die Roadmap zeigt, wie Thüringen bis in die 2030er Jahre hinein seine Rolle als Zentrum der Quanten-Sensorik ausbauen und zur Entwicklung der nächsten Computergeneration beitragen kann. Im Zentrum stehen zwei komplementäre Innovationsstränge: Einerseits der Aufbau leistungsfähiger Hardware auf Basis von QPiC, neuromorphen Chips und Supraleitungstechnologien, andererseits die Entwicklung entsprechender Quanten-Software inklusive algorithmischer Steuerung, Systemarchitekturen und ethischer Rahmensetzungen. Die Verbindung beider Stränge eröffnet neue Potenziale in der Mensch-Technik-Interaktion, der medizinischen Diagnostik und industriellen Automatisierung. Vor diesem Hintergrund bietet sich die Entwicklung einer gezielten Exportförderstrategie für Quanten-Technologien an, die Unternehmen nicht nur bei der Internationalisierung unterstützt, sondern auch ihre Vernetzung mit globalen Märkten und Partnern stärkt. Dies könnte durch den Aufbau internationaler Partnerschaften und die Teilnahme an globalen Quanteninitiativen sowie durch die Bereitstellung spezialisierter Exportzentren für Quantenprodukte erfolgen. Parallel dazu sollte der Ausbau von Infrastruktur, insbesondere im Bereich Fachkräfteentwicklung und Digitalisierung von Verwaltungsprozessen, vorangetrieben werden, um die schnelle Skalierung von Quanten-Technologien zu unterstützen und ein langfristiges nachhaltiges Wachstum sicherzustellen.

Die technologische Wertschöpfung beginnt bei grundlegenden Schlüsseltechnologien wie photonischen Materialien, Halbleiterfertigung, 2D-Materialien, supraleitenden Werkstoffen und integrierten Chipsystemen. Darauf aufbauend entstehen neue Anwendungssysteme – insbesondere im Bereich kontextsensitiver Quanten-Sensorik für Umweltmonitoring, Instandhaltung, Sicherheit und Medizin. Plattformbasierte Systemintegration und der Aufbau einer robusten Zulieferlandschaft bilden die Grundlage für industrielle Skalierung. Neue Geschäftsmodelle entstehen unter anderem rund um Analyse-as-a-Service, modulare Systemlösungen sowie OEM-nahe Fertigung.

Um diese Potenziale zu realisieren, sind erhebliche infrastrukturelle Voraussetzungen zu schaffen. Notwendig sind unter anderem zusätzliche Reinräume, spezialisierte Messinfrastrukturen, Applikationszentren und Technologietestfelder. Gleichzeitig müssen systematische Transferpfade zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gestärkt werden. Denkbar sind Innovationszentren, Start-up-Plattformen oder Deep-Tech-Inkubatoren. Kapitalgeber, clusterübergreifende Vernetzung und Wissenschaft-Praxis-Kopplungen werden zu strategischen Hebeln für die Skalierung und Marktfähigkeit quantentechnologischer Lösungen. Dazu könnte die Landesregierung prüfen, inwiefern in Thüringen ein Quantum Health Lab ins Leben gerufen werden kann, das als Innovationszentrum für die Entwicklung und Validierung quantenbasierter Diagnoseverfahren dient. Dieses Zentrum könnte als Testumgebung für neue Technologien fungieren und somit die Zulassungsverfahren für neue medizinische Geräte beschleunigen. Die Schaffung eines interdisziplinären Netzwerks von Experten aus Medizin, Quantenphysik und regulatorischen Bereichen würde die nötige Expertise bündeln, um Thüringen als Vorreiter in der Quantenmedizin weltweit sichtbar zu machen.

Begleitend bedarf es wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die Bürokratie abbauen, Investitionen erleichtern und eine gezielte Standortpolitik ermöglichen. Insbesondere mit Blick auf Flächenverfügbarkeit, Fachkräftebedarf und Willkommenskultur für internationale Talente, ist dies relevant. Nur durch eine ganzheitlich gedachte Steuerung – von der Grundlagenforschung bis zum Exportprodukt – kann verhindert werden, dass Ressourcenengpässe, fragmentierte Förderstrukturen oder starre Regularien das Wachstumspotenzial ausbremsen. Die gezielte Verzahnung zwischen etablierten Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen ist dabei essenziell. In diesem Zusammenhang sollte die Landesregierung prüfen, ein Quantum Accelerator Program zu initiieren, das speziell auf die Förderung von Start-ups und Unternehmen im Bereich Quanten- und neuromorphe Systeme ausgerichtet ist. Ein solches Programm könnte durch gezielte finanzielle Förderungen, steuerliche Anreize und den Abbau bürokratischer Hürden Gründerinnen und Gründern die nötige Unterstützung bieten. Zusätzlich sollte ein Netzwerk von Innovationszentren und Tech-Inkubatoren geschaffen werden, die als Katalysatoren für technologische Entwicklung und Markteinführung fungieren. Dies würde nicht nur die Ansiedlung von Quanten-Tech-Unternehmen begünstigen, sondern auch den Weg für die Entstehung neuer Wertschöpfungsketten ebnen.

Langfristig kann sich Thüringen mit dieser Entwicklung als international sichtbarer Technologiestandort positionieren, sowohl in spezialisierten Märkten wie der Quantenmedizin und Umweltsensorik als auch in Querschnittsfeldern wie Maschinenbau, Robotik und autonomer Mobilität. Die Visual Roadmap macht deutlich: Thüringen steht an der Schwelle, von punktuellen Kompetenzen zu einem strategisch vernetzten Quantenökosystem zu wachsen, vorausgesetzt, es gelingt, Infrastruktur, Talente, Kapital und Koordination in Einklang zu bringen.
 

5. Ergebnisse: Weitere Zukunftsthemen

Neben den fünf Fokustrends, die im Rahmen des Foresight-Prozesses als besonders zukunftsrelevant für Thüringen identifiziert und mittels Antizipationsmethoden weiterbearbeitet wurden, wurden zum Trendworkshop weitere Zukunftsthemen diskutiert. Diese Trends wurden in der Priorisierungsmatrix hinsichtlich ihres vermuteten Einflusses auf Thüringen und der Unsicherheit ihrer Weiterentwicklung bewertet, wodurch die systematische Unterscheidung zwischen unmittelbaren Handlungsfeldern, Trends für die weitere Befassung im Foresight-Zyklus, strategischen Beobachtungsfeldern und Themen ohne derzeitige Relevanz für die weitere Bearbeitung ermöglicht wurde.

5.1 Weitere Trends für Foresight-Prozess

In den prioritären Suchfeldern, die durch hohen Einfluss und gleichzeitig hohe Unsicherheit gekennzeichnet sind, finden sich neben den fünf Fokustrends auch die Kommerzialisierung und Technologisierung der Weltraumforschung , neue Ansätze zur Bewältigung von Umwelt- und Gesundheitsherausforderungen , ganzheitliche Ansätze zum integrierten Energiemanagement , fortschrittliche Materialien und Technologien für Energie- und Informationssysteme, intelligente Städte mit Fortschritten in Infrastruktur, KI und Cybersicherheit sowie Fortschrittliche Autonomie- und Sicherheitsstrategien für unbemannte Flugsysteme. Diese Themen verbleiben im Themenspeicher für Prio-Trends und werden im Scanning-Prozessschritt des nächsten Zyklus erneut analysiert.

Kommerzialisierung und Technologisierung der Weltraumforschung

Die Raumfahrt entwickelt sich zu einem prioritären Thema im Foresight-Prozess, da sie durch ihren hohen potenziellen Einfluss bei gleichzeitig hoher Unsicherheit ein zentrales strategisches Beobachtungsfeld darstellt. Durch neue Akteure aus dem privaten Sektor und eine fortschreitende Technologisierung verändert sich das bislang staatlich dominierte Feld grundlegend. Zentrale Entwicklungen umfassen die Wiederverwendbarkeit von Trägersystemen, autonome Explorationsrobotik, innovative Raumanzüge, VR-gestützte Trainingsumgebungen und weltraumbasierte Kommunikationsinfrastrukturen. Gleichzeitig gewinnen strategische Themen wie interplanetare Nachhaltigkeit, die Nutzung extraterrestrischer Ressourcen und internationale Kooperationen zunehmend an Bedeutung.

Neben technologischen Innovationsschüben ergeben sich auch neue Fragen, etwa zur Regulierung und Sicherheit, zur gerechten Verteilung von Ressourcen oder zur Rolle staatlicher Raumfahrtagenturen im Zusammenspiel mit privaten Akteuren. Zudem nimmt der strategische Wettbewerb zwischen geopolitischen Akteuren, insbesondere den USA, China und Indien, weiter zu, was zu Machtverschiebungen führen könnte. Zugleich bietet der Trend erhebliche Impulse für angrenzende Technologiefelder wie Sensorik, Materialentwicklung, Künstliche Intelligenz oder Quantenkommunikation.

Implikationen für Thüringen

Für Thüringen könnte dieser Trend insbesondere dort, wo sich bestehende technologische Kompetenzen mit neuen Anforderungen der Raumfahrtindustrie verschränken lassen, langfristig mit weitreichenden Chancen verbunden sein. Relevante Akteure wie Jenoptik AG, Jena-Optronik GmbH, SpaceOptix GmbH, das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF, die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die Landessternwarte Thüringen oder Luft- und Raumfahrtinitiativen wie der LRT e. V. verfügen in den Bereichen Optik, Sensorik, Kommunikation und Systemintegration bereits heute über Anschlussfähigkeit an zentrale Zukunftsfelder der Weltraumtechnologie.

Weil die Entwicklung dieses Trends von hoher Unsicherheit geprägt ist, könnte es sinnvoll sein, diesen Bereich nicht nur zu beobachten, sondern gezielt vertiefend mit Foresight-Methoden zu analysieren. Hierbei wäre zu prüfen: Welche Zukunftsbilder sind mit der Technologisierung und Kommerzialisierung der Raumfahrt verbunden? Welche strategischen Optionen könnten sich daraus für Thüringen ergeben? Wie können bestehende Stärken im Land dafür aktiviert werden? Denkbar wäre etwa, bestehende Netzwerke über Thüringen hinaus zu erweitern, bspw. durch eine engere Anbindung an ESA-Aktivitäten oder überregionale Kooperationen mit anderen Bundesländern wie Sachsen. Auch die strategische Antizipation konkreter Anwendungsfälle und ihrer Folgewirkungen, z. B. im Bereich Quantenkommunikation oder Erdbeobachtung, könnte helfen, das Potenzial greifbar zu machen.

Insgesamt erscheint es lohnend, den Trend nicht nur technologisch, sondern auch strategisch einzuordnen, zumal die Aufnahme der Raumfahrt in den Titel des Bundesforschungsministeriums mitsamt der Stellung in der Hightech-Agenda die wachsende Bedeutung unterstreicht. Hier könnte sich ein Möglichkeitsraum für neue Wertschöpfungsketten, internationale Partnerschaften und zukunftsgerichtete Narrative öffnen, die auch über die Raumfahrt hinaus Impulse für Thüringens Innovationslandschaft setzen könnten.

Neue Ansätze zur Bewältigung von Umwelt- und Gesundheitsherausforderungen

Aufgrund ihres hohen potenziellen Einflusses bei gleichzeitig hoher Unsicherheit gilt die datenbasierte Erfassung und Analyse von Umwelt - und Gesundheitsdaten als prioritäres Thema im Foresight-Prozess. Technologische Fortschritte ermöglichen es zunehmend, Umwelt- und Gesundheitsdaten in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu erfassen und systematisch auszuwerten. Durch den Einsatz von KI, maschinellem Lernen, IoT-Sensoren und Satellitentechnologien können komplexe Umweltsysteme besser verstanden, Risiken frühzeitig erkannt und präventive Maßnahmen gezielter entwickelt werden. Anwendungen reichen von der Echtzeitüberwachung der Luftqualität über die Erkennung illegaler Umweltaktivitäten bis hin zu großflächigen Modellen wie im EU-Projekt Destination Earth, dass die Wechselwirkungen zwischen natürlichen Prozessen und menschlichem Handeln abbildet.

Diese datengetriebenen Technologien eröffnen neue Möglichkeiten im Bevölkerungsschutz, im Ressourcenmanagement (z. B. Wasser, Abfall, Landnutzung), im Wald- und Artenschutz sowie für resiliente Infrastrukturen. Zugleich rückt der sektorübergreifende Einsatz solcher Systeme, etwa für Anwendungen in der Stadtplanung, der Landwirtschaft und im Gesundheitsbereich, in den Fokus.

Implikationen für Thüringen

Für Thüringen ergeben sich aus diesem Trend verschiedene Chancen. Datenbasierte Umwelttechnologien könnten dabei unterstützen, Risiken wie Hochwasser oder Trockenperioden präziser vorherzusagen und Ressourcen (z. B. Wasser oder landwirtschaftliche Flächen) effizienter zu nutzen. Auch im Kontext von Luftreinhaltung, Waldmonitoring oder der Nachverfolgung von Mikroplastik bieten sich Einsatzmöglichkeiten, die sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen könnten. Sinnvoll wäre es, auf bestehende Initiativen zur digitalen Umweltüberwachung aufzubauen und diese gezielt mit KI-basierten Vorhersagemodellen zu erweitern. Modellvorhaben in Hochwasserrisikogebieten oder urbanen Wärmeinseln könnten eine konkrete Grundlage für Anwendung und Skalierung bieten. Ebenso könnten Konsortien aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft gebildet werden, um in relevanten Feldern wie Landwirtschaft, Kreislaufwirtschaft oder Gesundheit neue datenbasierte Geschäftsmodelle zu erproben.

Insgesamt könnten solche Technologien dabei unterstützen, die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu erhöhen, ökologische Belastungen zu verringern und zugleich Innovationen im Bereich Umwelttechnologie zu fördern. Deswegen sollte dieses Thema weiterhin aufmerksam verfolgt werden.

Ganzheitliche Ansätze zum integrierten Energiemanagement

Der Trend zu ganzheitlichen Energiemanagementsystemen wird im Foresight-Prozess als prioritäres Thema mit hohem potenziellem Einfluss und gleichzeitig hoher Unsicherheit bewertet. Er beruht auf der zunehmenden Integration dezentraler Erzeugungs-, Speicher- und Verbrauchseinheiten. Im Zentrum steht, die Energieeffizienz zu erhöhen, CO₂-Emissionen zu senken und mehr Unabhängigkeit von zentralen Versorgungsstrukturen zu erreichen. Dies geschieht unter anderem durch die Kombination fortschrittlicher Speichertechnologien (z. B. Druckluft- und Batteriesysteme), die Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowie durch die flexible Umwandlung von Energieformen. Eine zentrale Rolle spielen dabei auch digitale Werkzeuge, etwa zur Analyse und Visualisierung von Energieflüssen und Emissionen in Echtzeit. Diese ermöglichen eine fundierte Entscheidungsfindung, sowohl für kommunale Planungsprozesse als auch für privatwirtschaftliche Anwendungen. Die Realisierung klimaneutraler Quartiere oder der Einsatz von Abwärmenutzung in lokalen Wärmenetzen sind Beispiele für die zunehmende Verschmelzung von technischer Innovation und nachhaltiger Planung. 

Implikationen für Thüringen

Für Thüringen könnte es sinnvoll sein, die Entwicklung solcher integrierten Energiesysteme als strategisches Zukunftsthema zu behandeln. Allen voran sollte dies im Zusammenspiel mit den Zielen der kommunalen Wärmeplanung, dem Ausbau erneuerbarer Energien sowie regionaler Wertschöpfung erfolgen.

Modellprojekte in kleinen und mittleren Städten oder in industriellen Clustern könnten dabei helfen, praxistaugliche Anwendungen zu erproben und sichtbare Erfolge zu erzielen. Auch die Nutzung bestehender Infrastrukturen, etwa zur Abwasserwärmerückgewinnung oder zur Einbindung von Solarthermie und Wärmepumpen in lokale Netze, erscheint vielversprechend. Um die technische und soziale Akzeptanz zu erhöhen, könnten Informationskampagnen, Beteiligungsformate und transparente Kosten-Nutzen-Analysen hilfreich sein. Auch die Zusammenarbeit mit Innovationsakteuren wie Institutsteil für angewandte Systemtechnik AST des Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, dem EDIH European Digital Innovation Hub Thuringia oder spezialisierten Unternehmen, wie z.B. die revincus GmbH, könnte ausgebaut werden, um gemeinsam skalierbare Lösungen zu entwickeln.

Fortschrittliche Materialien und Technologien für Energie- und Informationssysteme

Die Entwicklung und Anwendung fortschrittlicher Materialien wird im Foresight-Prozess als prioritäres Thema mit hohem potenziellem Einfluss und gleichzeitig hoher Unsicherheit eingeschätzt. Sie eröffnet neue Potenziale in der Energieumwandlung, Energiespeicherung und Informationsverarbeitung. Technologien wie Perowskit-Solarzellen, thermische Batterien oder photonische Systeme versprechen eine deutlich höhere Energieeffizienz und bieten neue Möglichkeiten zur Miniaturisierung, Flexibilisierung und Ressourcenschonung in vielfältigen Bereichen.

Ein besonderer Mehrwert des Themas liegt in der Kombination der Technologien mit intelligenter Materialforschung: Selbstheilende Materialien, biokompatible Systeme und neue Formen der Datenspeicherung können zukunftsweisende Anwendungen ermöglichen, z. B. in der Medizintechnik, der nachhaltigen Elektronik oder für die Resilienz kritischer Infrastrukturen.

Implikationen für Thüringen

Für Thüringen könnte es vielversprechend sein, die vorhandene exzellente Forschung im Bereich Materialwissenschaften (Friedrich-Schiller-Universität Jena, Technische Universität Ilmenau, Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS) gezielt mit Industriepartnern zu vernetzen, um Anwendungsprojekte für konkrete Herausforderungen im Bereich Energie und Digitalisierung voranzubringen. Auch Kooperationen mit IT-Netzwerken wie ITnet Thüringen oder Akteuren der Digitalwirtschaft könnten helfen, Transferpotenziale zu heben. Gleichsam wäre es sinnvoll, bestehende Kompetenzen in der Batterie- und Speicherforschung, z. B. bei CEEC Jena oder IBU-tec advanced materials AG, mit Themen der Kreislaufwirtschaft zu verzahnen, etwa über Konsortien für das Batterie-Recycling.

Angesichts der Komplexität dieser Themen wäre es empfehlenswert, auch neue methodische Formate wie Foresight-Workshops oder Reallabore einzusetzen, um mögliche Zukunftspfade auszuloten und technologieoffene Entwicklungsperspektiven zu fördern.

Intelligente Städte mit Fortschritten in Infrastruktur, KI und Cybersicherheit

Intelligente Städte gelten im Foresight-Prozess als prioritäres Thema, da sie ein hohes Wirkungspotenzial auf zentrale Zukunftsbereiche entfalten und zugleich mit erheblicher Unsicherheit hinsichtlich technologischer, gesellschaftlicher und regulatorischer Rahmenbedingungen verbunden sind. Sie stehen für die gezielte Integration digitaler Technologien in die städtische Infrastruktur und zielen darauf ab, Effizienz, Sicherheit, Lebensqualität und Nachhaltigkeit zu steigern. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz, Sensorik, IoT, 5G sowie AR und VR entstehen neue Möglichkeiten in der Verkehrssteuerung, Notfallhilfe, Infrastrukturüberwachung und Energieversorgung. Datenschutz und Cybersicherheit werden dabei zu integralen Bestandteilen einer resilienten Stadtentwicklung, insbesondere durch datensparsame Technologien wie Privacy Preserving Technologies und durch den Einsatz von Edge Computing.

Implikationen für Thüringen

Für Thüringen könnte es sinnvoll sein, Smart-City-Initiativen nicht nur als Infrastrukturprojekte zu begreifen, sondern stärker als Innovations- und Transformationsprojekte der Städte selbst. Die gezielte Kombination von F&E-Förderung, partizipativen Ansätzen und neuen technologischen Anwendungen kann dazu beitragen, urbanen und ländlichen Raum intelligenter zu vernetzen und Innovationspotenziale gezielt auszuschöpfen.

Ein Austausch mit anderen Regionen könnte helfen, Ressourcen effizient einzusetzen und Synergieeffekte zu nutzen. Es wäre lohnend, die Erfahrungen aus Modellprojekten weiterzutragen und etwa drohnenbasierte Lösungen oder digitale Zwillinge für urbane Kulturgüter stärker in die Anwendung zu bringen. Hier bietet sich insbesondere die Verbindung zwischen öffentlichen Verkehrsbetrieben, Forschungseinrichtungen und regionalen Tech-Unternehmen an, bspw. im Rahmen von Konsortien oder Testfeldern für adaptive Verkehrssteuerung, urbanes Notfallmanagement oder intelligente Logistiklösungen.

Fortschrittliche Autonomie- und Sicherheitsstrategien für unbemannte Flugsysteme

Unbemannte Luftfahrtsysteme (UAS) werden im Foresight-Prozess als Thema für die Watchlist eingeordnet, da sie derzeit mit geringem Einfluss und geringer Unsicherheit verbunden sind. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen entwickeln sie sich zunehmend zu hochautonomen Systemen, die komplexe Navigations- und Steuerungsaufgaben in Echtzeit bewältigen können. Besonders relevant ist dies für neue Drohnentypen wie elektrisch betriebene, senkrecht startende eVTOL-Systeme, die perspektivisch eine Rolle in der urbanen Luftmobilität spielen könnten. Zugleich eröffnen UAS innovative Einsatzmöglichkeiten in anspruchsvollen Bereichen wie der Infrastrukturinspektion, Katastrophenhilfe oder Präzisionslandwirtschaft. Die zunehmende Verbesserung der Fehlertoleranz, Energieeffizienz und Systemrobustheit tragen dazu bei, dass UAS zunehmend in sensiblen Einsatzumgebungen denkbar werden. Gleichzeitig stellen diese Systeme hohe Anforderungen an Datensicherheit, regulatorische Einbindung und verlässliche Kommunikationstechnik. 

Implikationen für Thüringen

Auch wenn derzeit kein breiter industrieller Einsatz oder ein starker Forschungsschwerpunkt in Thüringen zu beobachten ist, könnten sich langfristig im Zusammenhang mit spezialisierter Sensorik, der Einbindung in kritische Infrastrukturen oder im Bereich automatisierter Logistiklösungen im ländlichen Raum Chancen für die thüringische Innovationslandschaft ergeben.

Daher wäre es sinnvoll, diesen Trend zunächst auf einer Watchlist zu führen. Vorstellbar ist, regelmäßig zu prüfen, ob sich relevante Entwicklungen in angrenzenden Technologiefeldern ergeben, z. B. in der Photonik, Optik, Mikrosystemtechnik oder bei verkehrsbezogenen Digitalanwendungen, die künftig Anschlussfähigkeit an das Thema UAS und eVTOL bieten könnten. Auch eine Beobachtung regulatorischer und technologischer Entwicklungen, z. B. im Kontext von Zulassungsverfahren oder Luftraumstrukturierungen, könnten Hinweise liefern, ob und wie Thüringen von den Entwicklungen in diesem Themenfeld profitieren und eine gestaltende Rolle einnehmen kann.

In einem nächsten Foresight-Zyklus wäre es insofern denkbar, gezielt nach potenziellen Nischenanwendungen für Thüringen zu suchen. Dazu würden Entwicklungen von Testumgebungen, die Erprobung sicherheitskritischer Systeme oder auch die Entwicklung von Begleittechnologien wie Kommunikationsstandards, Energielösungen, und Notfallmanagement zählen. Insgesamt erscheint es sinnvoll, das Thema mit wachem Blick weiter zu verfolgen und technologische Durchbrüche sowie sich wandelnde Marktbedingungen, die neue Impulse für die regionale Verwertung schaffen könnten, aufzuspüren.

5.2 Impulse für unmittelbare Handlungsansätze

Die Kategorie der unmittelbar handlungsrelevanten Trends, die durch hohen Einfluss bei geringer Unsicherheit geprägt ist, umfasst die Entwicklung und Anwendung synergistischer Digital Twins und IoT-Systeme , den Einsatz von KI-, IoT- und Modellierungstechnologien in Landwirtschaft, Umweltmonitoring und Ressourcenmanagement, nachhaltige und energiesparende integrierte Wärme-/Kältesysteme (Kapitel 4.8) sowie die personalisierte Medizin: Diagnostik, Therapien und Gesundheitsstrategien.

Diese Impulse fließen unmittelbar in die operative Arbeit von Innovativ Thüringen ein. Sie dienen zum Abgleich von Schwerpunkten aktueller FuE-Projekte, zur kurzfristigen Initiierung von FuE-Konsortien sowie als Impulse für die Ausgestaltung von Workshops und Technologieveranstaltungen.

Synergistische Digital Twins und IoT-Systeme

Digitale Zwillinge zählen im Foresight-Prozess zu den Themen mit hohem Einfluss und vergleichsweise geringer Unsicherheit und gelten daher als zentrale Impulsgeber für unmittelbare Handlungsansätze. Sie bezeichnen virtuelle Repräsentationen physischer Objekte oder Systeme, die in Echtzeit Daten aus der realen Welt empfangen, analysieren und zurückspiegeln. In Kombination mit dem Internet der Dinge (IoT) entsteht ein umfassend vernetztes System, das eine kontinuierliche Überwachung, Analyse und Optimierung technischer Prozesse ermöglicht. Diese synergetische Verbindung erlaubt unter anderem eine präzisere Zustandsüberwachung, vorausschauende Wartung, verbesserte Ressourcennutzung sowie datenbasierte Entscheidungsprozesse in Echtzeit.

Einsatzfelder sind vielfältig: von der intelligenten Fabrik über das Energiemanagement in Gebäuden bis hin zur Inspektion technischer Infrastrukturen. Der Trend zeichnet sich durch eine zunehmende Reife aus, steht jedoch weiterhin vor Herausforderungen wie der fehlenden Interoperabilität zwischen Systemen, der Integration in bestehende Infrastrukturen, hohen Anforderungen an Datensicherheit sowie dem Fehlen standardisierter Schnittstellen.

Implikationen für Thüringen

Vor dem Hintergrund der industriellen Struktur Thüringens, die einen starken Fokus auf Maschinenbau, Automatisierung und Energieeffizienz aufweist, könnte der Trend zu Digital Twins und IoT-Systemen eine besondere strategische Relevanz entfalten. Viele Unternehmen im Freistaat bewegen sich in Bereichen, die von einer engeren Verknüpfung physischer und digitaler Systeme profitieren würden.

Sinnvoll wäre es, auf Ebene des Innovativ Thüringen und weiterer Akteure der Innovationslandschaft zu prüfen, inwieweit entsprechende Aktivitäten in Thüringen bereits bestehen und ob es strategische Lücken oder besondere Stärkefelder gibt. Denkbar wäre etwa ein systematisches Mapping relevanter Industrie- und Forschungspartner im Land, um bereits bestehende Ansätze sichtbar zu machen und gezielte Kooperationen zu fördern. Niedrigschwellige Formate zur Unterstützung von KMU, bspw. Demonstrationsumgebungen, Vernetzungsangebote oder Workshops zur Identifikation konkreter Anwendungsfälle, könnten die Weiterentwicklung standortbasiert in Thüringen begünstigen. Darüber hinaus könnte eine engere Verzahnung mit wissenschaftlichen Einrichtungen, etwa in Ilmenau oder Jena, einen wichtigen Beitrag zur Technologievermittlung und Weiterentwicklung leisten.

KI-, IoT- und Modellierungstechnologien für Landwirtschaft, Umweltmonitoring und Ressourcenmanagement

KI-, IoT- und Modellierungstechnologien gelten im Foresight-Prozess als Themen mit hohem Einfluss und vergleichsweise geringer Unsicherheit – und liefern damit konkrete Impulse für unmittelbare Handlungsansätze. Sie eröffnen vielfältige neue Möglichkeiten für eine datenbasierte, ressourceneffiziente und resiliente Gestaltung von Landwirtschaft, Umweltüberwachung und Ressourcenmanagement. Durch die Kombination von Echtzeitdaten aus Sensoren, maschinellem Lernen und prädiktiver Modellierung lassen sich Umweltveränderungen besser antizipieren, Naturgefahren früher erkennen und natürliche Ressourcen zielgerichteter nutzen. So könnten landwirtschaftliche Prozesse, das Wassermanagement sowie die Umweltbeobachtung deutlich effizienter und nachhaltiger gestaltet werden.

Implikationen für Thüringen

Für Thüringen erscheint es sinnvoll, bestehende Stärken im Bereich Umwelt- und Agrartechnologien durch gezielte Förderung digitaler Anwendungen weiter auszubauen. Pilotprojekte zur Integration von KI und IoT in der Landwirtschaft könnten dabei helfen, sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile zu realisieren. Dies könnte etwa durch intelligente Bewässerungssteuerung, automatisierte Drohnennutzung oder Frühwarnsysteme für Extremwetterlagen erfolgen.

Zudem wäre es denkbar, verstärkt in die digitale Infrastruktur im ländlichen Raum zu investieren, um eine breitere Anwendung solcher Technologien zu ermöglichen. Der Aufbau praxisnaher Schulungsangebote in Zusammenarbeit mit Hochschulen, Technologietransfereinrichtungen und der Agrarwirtschaft könnte dazu beitragen, das Wissen um diese Technologien nachhaltig zu verankern.

Auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Regionen oder Initiativen könnte hilfreich sein, um konkrete Anwendungsfälle und bewährte Lösungsansätze zu identifizieren. Modellprojekte, die z. B. Sensorik, Fernerkundung und prädiktive Analysen miteinander verbinden, könnten als Blaupause für die regionale Skalierung solcher Ansätze dienen. Nicht zuletzt wäre es sinnvoll, Anknüpfungspunkte zur Umwelt- und Klimapolitik auf Landesebene zu prüfen; zentrale Anknüpfungspunkte wären Klimafolgenanpassung, die Biodiversitätsstrategie oder auch die Wasserrahmenrichtlinie. Hier könnte der Einsatz datenbasierter Technologien auch zur Erreichung übergeordneter Nachhaltigkeitsziele beitragen.

Nachhaltige und energiesparende integrierte Wärme-/Kältesysteme

Integrierte Wärme-/Kältesysteme gelten im Foresight-Prozess als Impulsgeber für unmittelbare Handlungsansätze, da sie mit hohem Einfluss und vergleichsweise geringer Unsicherheit verbunden sind. Die zunehmenden Anforderungen an Energieeffizienz, Dekarbonisierung und Klimaanpassung rücken integrierte Wärme-/Kältesysteme in den Fokus technologischer und politischer Strategien. Dabei geht es um Systemlösungen, die Wärme- und Kältebedarfe sektorübergreifend erfassen, steuern und durch den Einsatz erneuerbarer Energien sowie intelligenter Speichertechnologien nachhaltig decken. Insbesondere in Kombination mit Wärmepumpen, Solarthermie, Abwärmenutzung und digitalen Steuerungslösungen bieten sich neue Möglichkeiten zur Optimierung von Energieflüssen und zur Reduktion fossiler Abhängigkeiten. Durch adaptive Regelung, Lastmanagement und sektorübergreifende Kopplung können Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz miteinander verbunden werden.

Implikationen für Thüringen

Für Thüringen ergeben sich aus dem Trend vielfältige Ansatzpunkte, um technologische Entwicklung, Energieeffizienz und Standortattraktivität strategisch zu verzahnen. Bestehende industrielle Infrastrukturen, kommunale Wärmenetze und energetische Sanierungsprogramme könnten durch gezielte Integration innovativer Wärme-/Kälteverbundsysteme deutlich optimiert werden. Besonders vielversprechend erscheint die Förderung intelligenter Systemlösungen in Gewerbegebieten, Industrieclustern oder energetisch zu transformierenden Quartieren. Pilotvorhaben zur sektorübergreifenden Kopplung, wie etwa die Verbindung von industrieller Abwärmenutzung mit wohnungswirtschaftlicher Wärmeerzeugung oder die Integration saisonaler Speicher, könnten sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Wirkungen entfalten. Eine engere Zusammenarbeit mit regionalen Energieagenturen, Stadtwerken und Forschungseinrichtungen würde zusätzlich dazu beitragen, innovative Technologien praxisnah zu erproben und schrittweise in den Markt zu überführen.

Zudem erscheint es sinnvoll, bestehende Förderinstrumente und Planungsgrundlagen gezielt auf die Unterstützung solcher integrierten Systeme auszurichten. Der Aufbau von Demonstrationsanlagen sowie begleitender Aus- und Weiterbildungsangebote im Bereich Systemintegration, Digitalisierung und Energiemanagement könnte wesentlich dazu beitragen, das notwendige Know-how dauerhaft in der Region zu verankern. Auch auf landespolitischer Ebene bieten sich strategische Anknüpfungspunkte. Programme wie das Klimagesetz Thüringen, die Wärmewende-Roadmap oder die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes könnten gezielt mit technologiegestützten Lösungen der Wärme-/Kälteintegration verbunden werden. Auf diese Weise kann der Trend einen substanziellen Beitrag zur Umsetzung sektorübergreifender Klimaziele leisten und gleichzeitig die regionale Innovationskraft im Bereich nachhaltiger Energiesysteme stärken.

6. Vom Trendbild zur Umsetzung: Weiterführung der Foresight-Ergebnisse

Mit dem Abschluss des ersten Foresight-Zyklus von Innovativ Thüringen liegen priorisierte und qualitativ verdichtete Technologietrends vor, die für die Innovationspolitik des Freistaates relevant sind. Diese Ergebnisse bilden einerseits die Grundlage für weiterführende Schritte in Transfer, Vernetzung und Entwicklung sowie andererseits für vertiefte Analysen und das kontinuierliche Scanning in den nächsten Zyklen des Foresight-Prozesses. Das Foresight-Team von Innovativ Thüringen übernimmt dabei eine koordinierende Rolle und treibt die Nachverfolgung der Transferaktivitäten voran.

Die folgenden Maßnahmen sind Beispiele für die praktische Weiterverfolgung. Dazu gehören unter anderem themenspezifische Transferworkshops und Vernetzungsveranstaltungen, vertiefende Analysen zu einzelnen Themenfeldern und auch die Weiterverfolgung der Watchlist im Scanning.

  • Transferworkshops zu priorisierten Fokustrends:Workshops leisten einen entscheidenden Beitrag zur strategischen Anschlussfähigkeit des Foresight-Prozesses. Sie schaffen gezielte Dialogräume, in denen zentrale Ergebnisse des ersten Foresight-Zyklus gemeinsam mit relevanten Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft weitergedacht werden. Ihre Funktion besteht darin, identifizierte Chancen und Handlungsbedarfe aus der Antizipationsphase aufzugreifen und in konkrete Transferpfade zu übersetzen. Dazu dienen sie insbesondere der gemeinsamen Auslotung von Anwendungsfeldern, Kooperationspotenzialen und regulatorischen Anforderungen. Durch ihren projektorientierten Zuschnitt ermöglichen Workshops nicht nur vertiefende Verständigung über Zukunftsthemen, sondern auch die Vorbereitung von Pilotprojekten, die Identifikation von Schlüsselakteuren sowie die gezielte Ausbildung thematischer Netzwerke.
  • Impulsvorträge zur Netzwerkbildung und F&E-Initiierung: Um die im Foresight-Zyklus gewonnenen Detailerkenntnisse gezielt für die Projektentwicklung nutzbar zu machen, können thematisch fokussierte Impulsvorträge und Kurzformate als strategische Instrumente eingesetzt werden. Diese Formate dienen nicht nur der strukturierten Wissensvermittlung, sondern stoßen gezielt die Weiterentwicklung von Themenfeldern an und liefern neue Impulse für projektbezogene Vernetzung.
  • Vertiefende Analysen bzw. Deep Dives als strategische Anschlussaktivität entlang identifizierter Zukunftsthemen: Im Kontext von Foresight-Prozessen spielen vertiefende Analysen eine zentrale Rolle, um über das frühzeitige Erkennen von Trends hinaus ein fundiertes Verständnis ihrer Wirkmechanismen, Dynamiken und Entwicklungspfade zu ermöglichen. Solche Deep Dives dienen dazu, die in der Antizipations- und Priorisierungsphase identifizierten Themenfelder detailliert zu erschließen, insbesondere mit Blick auf technologische Reifegrade, Anwendungslogiken, institutionelle Voraussetzungen sowie gesellschaftliche Implikationen. Darüber hinaus erlauben sie eine systematische Erhebung von Nutzeranforderungen, Umsetzungshürden, Wertschöpfungspotenzialen und Kooperationsstrukturen. Sie leisten einen entscheidenden Beitrag zur strategischen Operationalisierung von Foresight-Ergebnissen.

Vor dem Hintergrund der im ersten Foresight-Zyklus identifizierten Themenfelder können Teilbereiche in vertiefenden Analysen weitergeführt werden. Durch diese Deep Dives können strategisch relevante Aspekte detailliert untersucht und konkrete Umsetzungspfadoptionen geprüft werden.

Um Deep Dives inhaltlich tragfähig und wirkungsorientiert aufzusetzen, bedarf es klarer thematischer Zuschnitte, methodischer Expertise sowie der aktiven Mitwirkung relevanter Akteure aus Forschung, Wirtschaft und Verwaltung. Erforderlich sind darüber hinaus belastbare Datengrundlagen, geeignete Analyseformate und nicht zuletzt eine strukturierte Prozessarchitektur zur Ergebnissicherung und Operationalisierung. Die Auswahl der zu vertiefenden Themen sollte anhand transparenter Kriterien erfolgen, etwa dem erwartbaren Innovationspotenzial für Thüringen, vorhandenen Entwicklungspfaden oder regionalen Kompetenzprofilen. Ziel ist es, vielversprechende Zukunftsthemen zu schärfen und basierend auf den Ergebnissen der Deep Dives gezielt in Richtung konkreter Innovationsvorhaben zu entwickeln.

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Michel Reichardt

Michel Reichardt Spezialisierungsfeld IKT, innovative und produktionsnahe Dienstleistungen und Spezialisierungsfeld Industrielle Produktion und Systeme

Christoph Grollman

Christoph Grollman Feldübergreifender Projektleiter

Dr. Sophia Gänßle

Dr. Sophia Gänßle Data Analystin für Trendmonitoring und Strategic Foresight